© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/06 23. Juni 2006

CD: Rock
Unbeirrbar
Michael Insel

Wie immer man es nennen will - Hair Metal, Pudelrock, Pop-Metal, Glam- oder Sleaze-Rock: Die Glanzzeiten von Musikern, die sich kleiden wie die transsexuellen Erben einer Straßengang aus den 1950er Jahren und dazu extravagante Haartrachten zur Schau stellen, gehören der Vergangenheit, genauer gesagt den Achtzigern an, als Bands wie Poison und Guns'N'Roses die Gipfel der Hitparaden stürmten. Wie alle musikalischen Trends hatte auch dieser seine Beinahe-Erfolgsgeschichten. Vain war eine solche. 1989 von Sänger Davy Vain gegründet, hatten sie den Zug schon verpaßt, auf den sie aufzuspringen hofften. Das Publikum lief derweil in Scharen über zum Thrash Metal, California Punk und Grunge. Obwohl sie schnell einen Plattenvertrag mit einem Indie-Label landeten, mit ihrem Debütalbum "No Respect" von der Kritik gefeiert wurden und im Vorprogramm von Skid Row in Europa tourten, blieben Vain außerhalb San Franciscos weitgehend unbekannt. Noch vor der Veröffentlichung des zweiten Albums, "All Those Strangers", ließ Island Records die Gruppe fallen - was sie nicht daran hinderte, in neuer Besetzung weiterhin Platten zu machen, deren Vertrieb sich weitgehend auf den japanischen Markt beschränkte.

Als "No Respect" 2004 von dem britischen Metallerorgan Kerrang unter die fünf "essentiellen" Alben der 1980er gewählt wurde, belebte sich das Interesse an Vain. Im Januar 2005 brachte die Firma Gott Discs den Erstling erneut in den Handel, und wenige Monate später konnten Vain in Los Angeles die Record-Release-Party ihres ersten Albums seit sechs Jahren feiern. "On The Line" wurde einhellig als gelungenes Comeback der unbeirrbaren Glam-Metaller gefeiert. Locomotive Records nutzte die Gunst der Stunde, um Davy Vains Solo-Produktion "In From Out Of Nowhere" (2000) nun auch in europäische Plattenläden und Multimediakaufhäuser zu bringen.

Sehr viel ohrenschonender, als man es von Vain gewöhnt ist, enthält die Platte dennoch drei härtere Nummern, von denen zwei herausragende Qualität haben. Der Opener "Push Me Over" legt los mit aufbrausenden Gitarrenakkorden und Schlagzeugwirbeln, kommt dann etwas zur Ruhe, um Vains nasale Stimme zur Geltung zu bringen und explodiert schließlich in ein Feuerwerk disharmonischer Gitarrentöne, das an die zu Unrecht vergessenen Gaye Bykers On Acid erinnert. Ein paar Nummern weiter setzt "Sugar Shack" dieses Donnerwetter mit einem strammen klassischen R'n'B-Groove fort. Das schwerfällige "Yellow" dagegen läßt die aufgestaute Energie und straffe Produktion dieser beiden Stücke vermissen.

Wem in der Sommerhitze nach einem Tempowechsel zumute ist, dem hat das Album unter seinen acht weiteren Stücken immerhin drei echte Funde zu bieten. "Fly Again" beginnt mit einem melodiösen Gitarrensolo, das langsam überleitet in ein Pop-Metal-Stück vom feinsten mit Vains sehnsuchtsvollem Gesang und verhaltenen Schlagzeugklängen. "Electric" mit seinem fetten, funkigen Baß schlägt ähnliche Saiten an und wird gefolgt von dem eindeutigen Glanzlicht "Come On Up", wo stimmungsvolles Gitarrenspiel und krachende Becken der vorherigen Nummern sich höchst effektvoll ergänzen.

Schade, daß die übrigen fünf Tracks mediokres Füllwerk sind und beim wiederholten Durchlauf im CD-Spieler immer noch übergangslos am Ohr vorbeirauschen. Darunter das Titelstück, dessen hymnischer Refrain und ausschweifenden Gitarrensolos auch vor sechs Jahren längst passé waren. Die thematische Verknüpfung dreier Stücke durch ein Weltraum-Motiv schafft nicht wirklich Abhilfe. "In From Out Of Nowhere" hätte allemal genug Material für eine erstklassige EP hergegeben.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen