© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/06 23. Juni 2006

Mit dem Ordnungsamt gegen Verfassungsfeinde
Berlin: Unbehelligt von der Polizei dürfen Linksextremisten auf einem Transparent die Auslöschung Deutschlands fordern
Anni Mursula

Polen muß bis Holland reichen - Deutschland von der Karte streichen!" steht auf einem großen Stofftransparent, das von einem Balkon in der Warschauer Straße in Berlin-Friedrichshain weht. Das Banner hängt direkt über dem Gehweg der verkehrsreichen Straße und wird täglich von Hunderten von Passanten gesehen. Wer die Urheber sind, wird schnell deutlich: Nicht nur zählt der Spruch zu den Lieblingsforderungen der Antifa - gleich neben dem Plakat flattert die schwarz-rote Fahne der Antifa.

Daher ist der Urheber des Schmähplakats vermutlich auch ein Deutscher mit einer anti-deutschen Gesinnung, und nicht ein deutschlandfeindlicher Pole - wie die Polizisten in der zuständigen Polizeiwache ein paar Straßen weiter glauben. Motiv und Person hin oder her, an der Verfassungsfeindlichkeit eines solchen staatsverneinenden Spruches sollte eigentlich kein Zweifel herrschen.

Daher ist es überraschend, daß das das Transparent von der Polizei unbehelligt bleibt. Denn zweifelsohne wird ansonsten konsequent gegen verfassungsfeindliche Symbole und Sprüche vorgegangen. Man stelle sich vor, es würde ein anderes Motiv - zum Beispiel eine Hakenkreuzfahne - von einem Balkon gehängt. Der Verantwortliche würde sicherlich binnen Stunden verhaftet. Schließlich kann der Staat nicht dulden, was ihn abschaffen will.

Wer "Deutschland von der Karte streichen" möchte, könnte seinen Wunsch eigentlich nicht deutlicher äußern. Und dennoch darf das Plakat in der Warschauer Straße bis auf weiteres hängen bleiben.

Bereits vor einigen Wochen hatte ein Passant sich dermaßen an dem Plakat gestört, daß er dies der örtlichen Polizei meldete. Ein Polizeibeamter habe ihm erklärt, er sei nicht der erste, der sich darüber beschwere. Jedoch habe die zuständige, vorgesetzte Polizeibehörde die Aufschrift als unbedenklich eingestuft. Weil diese Antwort dem Mann nicht genügte, schrieb er einen Offenen Brief an den Berliner Polizeipräsidenten und forderte die zuständige Behörde auf, die Sachlage zu überprüfen.

Staatsanwaltschaft hat den Fall geprüft

Offensichtlich zeigte der Brief Wirkung. Bei einer Anfrage der JUNGEN FREIHEIT beim Landeskriminalamt Berlin stellte sich heraus, daß aufgrund der Beschwerde des Mannes der Fall dann doch von der Polizei an die Staatsanwaltschaft weitergegeben wurde. Die Staatsanwaltschaft prüfte, stellte aber schließlich fest, daß keine Straftat vorliege. Nun müsse sich das Ordnungsamt um die Angelegenheit kümmern.

"Es muß jetzt geprüft werden, ob die öffentliche Ordnung davon gestört ist", sagte der Einsatzleiter der Polizeidirektion in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg, Bodo Biese, der JUNGE FREIHEIT. Aber eigentlich solle die Tatsache, daß das Plakat dort überhaupt hänge, Grund genug sein, um es zu entfernen, sagte Biese. Nicht nur als Polizisten, sondern auch als Deutsche und als Bürger sei die Entfernung des Plakats für Biese und seine Kollegin Gudrun Albach-Weise, Leiterin der Vorgangbearbeitung, eigentlich selbstverständlich und auch erforderlich.

Aber was die Polizisten selber wollen, ist nebensächlich. So etwas müsse natürlich auf dem Rechtsweg geschehen, sagte Biese. Erst müsse geprüft werden, ob es rechtliche Voraussetzungen für die Entfernung gibt - ob also das Plakat tatsächlich als verfassungsfeindlich oder volksverhetzend eingestuft werden kann. "Bei Hakenkreuzfahnen ist das etwas anderes. Bei dem Zeichen ist es immer ein klarer Fall, und wir wissen sofort, daß es als verfassungsfeindliches Symbol einzuordnen ist. Darüber gibt es richterliche Beschlüsse und nichts weiteres zu überprüfen", sagte Biese der JF. In diesem Fall müsse man erst einmal sehen, wie das Plakat überhaupt einzustufen sei. Das Problem sei, daß die Staatsrechtler darüber selber verschiedene Meinungen haben.


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