© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/06 16. Juni 2006

Meldungen

Geistige Landnahme: Geschichtsort Kreisau

WIESBADEN. Wenn der in Frankfurt an der Oder lehrende Historiker Karl Schlögel in die östliche Nachbarschaft aufbricht, dann hat man nach seiner Rückkehr in Aufsätze und Bücher gegossene raunende Raummystik zu gewärtigen. Auch seine Fahrt ins schlesische Eulengebirge, zum Gut der Moltkes und zum Treffpunkt des Kreisauer Kreises, gerät zu einem Mustertext "intellektueller Ortserkundung", der geschichtspolitischer Landnahme im polnischen Interesse gleicht (Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 3/4-2005). So feiert Schlögels Beitrag, ursprünglich eine Rede zur Gründung der "Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau", das wesentlich mit deutschen Geldern aufgebaute Anwesen des "großen Schweigers" und seines Urgroßneffen Helmuth James Graf von Moltke als "Stützpunkt des neuen Europa" und deutsch-polnischer Begegnung. Die ist freilich nur um den Preis deutscher Selbstverleugnung zu haben, wie der gern am Rande der Geschichtsfälschung operierende Schlögel demonstriert. So steht er nicht an, die Mär vom "Verlust der polnischen Ostgebiete" und von den daraus "Vertriebenen" zu erzählen, die sich Schlesien "neu aneignen mußten". Und er bezichtigt die Deutschen, mit dem "Wahn der ethnischen Säuberung begonnen" zu haben, obwohl ein Geschichtsprofessor eigentlich um die ethnische Säuberung Westpreußens und Posens wissen sollte, die ab 1919 von Polen ins Werk gesetzt wurde und für eine Million Deutsche bis 1939 den Verlust der Heimat bedeutete (JF 52-53/04).

 

Mit Schiller gegen Bolognas Brotgelehrte

LEIPZIG. Aus altlinker Perspektive nimmt Paul Kellermann den "Bologna-Prozeß" ins Visier, der seit einer dortigen Ministerkonferenz (1999) zum Kürzel für die einheitliche europäische Hochschulpolitik geworden ist (Soziologie, 1/06). Gegen "Bologna" bemüht er Friedrich Schiller und dessen klassische Unterscheidung zwischen Brotgelehrtem und philosophischem Kopf, um nachzuweisen, daß in der EU die Weichen wieder falsch gestellt wurden. Denn "Bologna" sei zu stark an "Lissabon" gebunden, die mittlerweile obsolete Zielsetzung vom März 2000, Europa solle bis 2010 zum "dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt" aufsteigen. Damit seien Beschäftigungsfähigkeit, mobile Verfügbarkeit und Konkurrenzfähigkeit zu zentralen Zwecken der Hochschulbildung deklariert worden. Diese auf "Brotgelehrte" zugeschnittenen außerwissenschaftlichen Orientierungen ließen aber die wahren, dem "philosophischen Kopf" eigenen, Ideale der europäischen Universitätswelt hinter sich: "Forschung für wissenschaftliche Erkenntnis, Studieren zur Entwicklung einer umfassend gebildeten Persönlichkeit und Kooperieren als Gemeinschaft zur Entwicklung der Wissenschaft". Die Verwandlung der Universitäten "zu Agenturen der Märkte" und ihre Angleichung an die "entfremdete Arbeitswelt" müsse zu "abnehmender Kreativität" führen, womit man die alte Stärke des Bildungssystems der Jagd nach "Profiten" opfere.

 

Eichmanns Aufenthalt war schon 1958 bekannt

WASHINGTON. Die CIA verschleierte offenbar den Aufenthaltsort des NS-Organisators jüdischer Deportationen in Europa, Adolf Eichmann, um hochrangige deutsche Politiker wie Adenauers Sicherheitsberater Hans Globke vor Enthüllungen aus Eichmanns Tagebüchern oder Aussagen über dessen NS-Vergangenheit zu schützen. Die letzte Woche veröffentlichten Akten des US-Geheimdiensts verdeutlichen laut Timothy Naftali, Historiker an der Universität von Virginia, daß die CIA bereits 1958 vom BND über Eichmanns Versteck in Argentinien informiert wurde. Erst 1960 entführte der Mossad ihn von dort nach Israel, wo er zum Tode verurteil wurde.


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