© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/06 16. Juni 2006

Es darf gesungen werden
Bombenstimmung: Im Stadion tun sich deutsche Fans mit der Nationalhymne noch schwer, im "Spiegel" erst recht
Richard Hausner / Thorsten Thaler

But the RAF from England shot them down - and in the World Cup we beat them again" - stellen T-Shirts der englischen Fans eine Beziehung zwischen Bombenterror im Zweiten Weltkrieg und Ambitionen auf einen WM-Sieg über Deutschland her. Im Hinblick auf die Stimmung hatten die 25.000 Briten bei der Auftaktpartie in Frankfurt gegen Paraguay im Fernduell mit den deutschen Anhängern allerdings erstaunlicherweise das Nachsehen. Wenngleich die Nationalhymne "God save the Queen" lautstark und gleich zweimal gesungen wurde, blieben die Engländer insgesamt jedoch hinter den Erwartungen zurück.

Einen Tag zuvor beim Eröffnungsspiel in München war die Euphorie wesentlich größer. Zwar wurde die deutsche Nationalhymne im Stadion (noch) nicht angestimmt, dennoch war die Atmosphäre gewaltig. Ein übriges tat die ordentliche Leistung der Klinsmann-Truppe. "Die Deutschen haben sich wieder in Marsch gesetzt", schrieb der Daily Mirror nach dem 4:2-Sieg gegen Costa Rica.

Tatsächlich scheinen viele Deutsche gewillt, einer Aufforderung von Rainer Holzschuh, dem Chefredakteur des Fußball-Magazins Kicker, bereitwillig Folge zu leisten. "Mutieren wir ein klein wenig zu Chauvinisten, die über glanzvolle Spiele und große Erfolge der deutschen Mannschaft offen jubeln können", steht im Editorial der Sonderheftes zur WM geschrieben.

Daß damit einige ihre Schwierigkeiten haben, zeigt die Internetkolumne des Kisch-Preisträgers Thomas Hüetlin (Jahrgang 1961), der für den Spiegel derzeit als Korrespondent berichtet - aus London. Kürzlich war er in einem Pub in Notting Hill, in dem ein paar hundert Menschen "God save the Queen" sangen. "Ich mag sowas", hielt Hüetlin seine neurotische Befindlichkeit fest, "und ich wurde ein wenig neidisch, weil ich als Deutscher nicht aus einem Land stamme, welches man so selbstverständlich lieben kann. Ich schaffe es bis heute nicht, unsere Nationalhymne mitzusingen, und ich würde jederzeit lieber zu Fuß gehen, als mir unsere Fahne ins Autofenster zu klemmen."

Vielleicht hätte er sich ein Beispiel an jenen mehreren hundert Fans nehmen sollen, die bereits eine Woche vor der WM im "Oberbayern", einer riesigen Kneipe in der Düsseldorfer Altstadt, in Aufbruchstimmung waren. Als dort nach Mitternacht die Musik ausgeschaltet wurde und der DJ die Nationalhymne anstimmte, sangen die Anwesenden lautstark mit - "Einigkeit und Recht und Freiheit".


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