© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/06 16. Juni 2006

Gespaltenes Verhältnis
Gewalt II: Der "taz" fällt eine deutliche Abgrenzung mitunter schwer / Abdruck von Bekennerschreiben linksextremistischer Terroristen
Markus Schleusener

Bei einem Vortrag über die Kriminalitätsentwicklung in Deutschland hat der Kriminologe Christian Pfeifer vergangene Woche bei der Friedrich-Naumann-Stiftung in Berlin über das Thema "Gewalt legitimierender Männlichkeitskult" gesprochen. Der Ex-Innenminister aus Niedersachsen kam zu dem Ergebnis, daß Gewalt abnimmt, weil die deutsche Gesellschaft immer stärker altert. Gewalt gehe aber meistens von jungen Männern aus, "nicht von so betagten Herren wie mir", meinte Pfeifer.

Doch auch das in die Jahre gekommene Alternativ-Milieu hat bis heute der Gewalt nicht ganz abgeschworen, wie die jüngste Rangelei vor der taz-Zentrale zeigt (JF 24/06). Wie ist es bestellt um das Verhältnis der taz zur Gewalt? Es war schon immer gespalten.

Gerade einmal einen Monat ist es her, daß in der Berliner Lokalausgabe der Zeitung dem Psychologen Wolfgang Scholl folgende Frage gestellt wurde: "Professor Scholl, warum schauen die Leute weg, wenn sie Gewalt sehen?" Die Antwort des Psychologieprofessors: "Dafür gibt es mehrere Gründe. Der wichtigste ist bei offensichtlicher körperlicher Gewalt die Angst, selber angegriffen zu werden. Außerdem ist man in einer ungewohnten Situation unsicher, was zu tun ist." Der dritte und schwächste Grund sei, daß man Angst habe, etwas falsch zu machen und dem Opfer eher zu schaden als zu helfen. Danach spezifiziert der taz-Interviewpartner die Ignoranz angesichts von Gewalt gegenüber anderen noch: "Je mehr Menschen zuschauen, desto geringer ist die Chance, daß jemand eingreift. Das mag paradox klingen, aber es ist experimentell belegt. Der andere könnte ja auch was tun, deshalb tue ich selber nichts: Dieses Phänomen wird Verantwortungsdiffusion genannt." Das zweite Phänomen, das eine Rolle spiele, sei die pluralistische Ignoranz: Man sei unsicher, was man machen soll, und schaue auf die anderen. "Die sind auch unsicher, tun erst mal nichts, und so entsteht bei allen der Eindruck, daß man am besten nichts tut."

In diesem Gespräch über Gewalt ging es nicht um die Übergriffe auf die Verteilertruppe der JUNGEN FREIHEIT vor der taz-Zentrale in der Berliner Kochstraße, sondern um das linke Leib- und Magenthema "Rechte Gewalt". Was das angeht, ist der taz keine Überschrift knackig genug. Kurz vor der WM titelte das Blatt beispielsweise "Die Welt zu Gast bei Nazis".

27 Jahre nach ihrem ersten täglichen Erscheinen hat die taz noch immer eine besondere Beziehung zur Gewalt. "Kein Linienblatt, aber eine linke, radikale, auch satirische Zeitung - täglich! Den unterschiedlichsten Leuten soll darin Platz gegeben werden, gegen traditionellen, distanzierenden Profijournalismus zu schreiben", lautete das 1979 formulierte Selbstverständnis der Zeitung aus dem Ursud von Feministen und Friedensbewegung, Dritte-Welt-Aktivisten und Volkszählungsgegnern. Aus den gleichen Kreisen speiste sich in den siebziger Jahren die RAF-Sympathisantenszene. So ist es kein Wunder, daß sich die Zeitung auch heute noch zuweilen die Argumente der Castor-Gegner oder von Attac-Aktivisten zu eigen macht.

Daran hat auch das Schlüsselerlebnis im Jahr 1989 nichts geändert. Damals verkündete Chefredakteurin Georgia Tornow stolz: "Jetzt sind wir Regierungsblatt". Berlin wurde erstmals von einer rot-grünen Koalition regiert. Doch soviel hat sich mit dem Status als "Regierungsblatt" nicht geändert. Auch 1998, beim Antritt der rot-grünen Bundesregierung nicht. Linksradikale autonome Gruppen versuchen immer wieder, ihre Sichtweisen in der taz unterzubringen, "weil mensch sie als Brücke zur Öffentlichkeit benutzen zu können glaubt", wie es in dem Buch "20 Jahre radikal" über die Geschichte und Perspektiven autonomer Medien heißt. Und wenn linksradikale Gewalttäter ein Bekennerschreiben absetzen wollen, dann ist die Chance sehr hoch, daß sie es an die taz senden.

So veröffentlichte das Blatt im September 1995 ein Schreiben der Gruppe, "Das K.O.M.I.T.E.E". Darin legten die Verfasser nicht nur ihre Auffassung von "militanter Politik" dar, sie bekannten sich auch zu einem Brandanschlag auf das Verteidigungskreiskommando der Bundeswehr in Bad Freienwalde im Oktober 1994 sowie zu einem geplanten Sprengstoffanschlag auf die leerstehende Vollzugsanstalt Grünau in Berlin, der jedoch kurz vor der Tat vereitelt werden konnte. Die Polizei beschlagnahmte das Bekennerschreiben in den Redaktionsräumen der taz. Im Juli 2002 erhielt die Zeitung das Bekennerschreiben einer Gruppe namens "Autonome Zelle in Gedenken an Ulrike Meinhof", die zwei Lufthansa-Busse angezündet hatte - die Terroristen hatten der Fluggesellschaft vorgeworfen, sich an Abschiebungen beteiligt zu haben. Im Oktober 2005 zitierte die taz aus einem Selbstbezichtigungsbrief, in dem sich eine Organisation "autonome gruppen/militant people (mp)" zu dem Brandanschlag auf ein Gästehaus des Auswärtigen Amtes in Berlin-Tegel bekennt. Außerdem kündigen die Verfasser "eine breite, auch militante Kampagne" gegen den G-8-Gipfel im Sommer 2007 in Heiligendamm an.

Und es war ebenfalls die taz, die im Dezember 1994 jenes Bekennerschreiben veröffentlichte, mit dem sich Terroristen ihres Brandanschlags auf die damalige Druckerei der JUNGEN FREIHEIT in Weimar rühmten. Auch zwölf Jahre später scheint sich an der klammheimlichen Nähe der Zeitung zum gewalttätigen Linksextremismus nicht viel geändert zu haben, wenn der taz-Redakteur Dietmar Bartz das Verprügeln von Verteilertrupps der Konkurrenz "wohlwollend beobachtet."


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