© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/06 09. Juni 2006

Unbequeme Zahlen
Kriminalität: Bei der Debatte um ausländerfeindliche Gewalt in Deutschland lohnt eine genauere Auswertung der Statistik
Anni Mursula

An Christi Himmelfahrt kam es in diesem Jahr wieder zu zahlreichen Schlägereien und Gewalttätigkeiten. Viele davon spielten sich unter betrunkenen Männern ab, die den "Vatertag" feierten. Einen Tag später berichteten die Medien über die Vorfälle - vornehmlich allerdings über die Übergriffe, die es auf Ausländer gegeben hatte.

Vorschnell wurde behauptet, daß die Taten einen fremdenfeindlichen Hintergrund hätten, was aber nicht immer bewiesen werden konnte. Das heißt nicht, daß in Deutschland keine ausländerfeindliche Gewalt vorkäme. Es gibt sie, wie es die Zahlen des Bundesverfassungsschutzberichtes oder der Polizeilichen Kriminalstatistik belegen. Es gibt darüber hinaus aber auch andere Delikte, die oft aus dem Blickfeld verdrängt werden. Auch Deutsche werden Opfer von Gewalt - und nicht selten sind Ausländer die Täter.

Tatort Düsseldorf: Vor einigen Wochen wurden etwa zwei junge Deutsche in der Düsseldorfer Altstadt von einer Gruppe arabisch aussehender Männern brutal zusammengeschlagen. Eines der Opfer erzählte der JUNGEN FREIHEIT, daß die Schlägerei anfing, als sie einer von der Gruppe angegriffenen Frau zu Hilfe eilen wollten. Beide Männer wurden dann zu Boden geschlagen und gegen Körper und Kopf getreten. Der 23jährige erlitt Prellungen und trug eine immer noch taube Achselhöhle davon. Seinen Freund traf es schlimmer. Er sei so lange von der Gruppe geschlagen und getreten worden, bis er schließlich regungslos am Boden liegen blieb. Er erlitt durch Tritte eine doppelte Fraktur der Nase sowie ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Der junge Mann wurde bereits zum zweiten Mal von Ausländern angegriffen.

Das Problem ist, daß die Zahlen der Gewaltkriminalität in der hiesigen Öffentlichkeit oft einseitig dargestellt werden. Dies führt zu einem verzerrten Bild der Gewaltkriminalität zwischen Deutschen und Nichtdeutschen. Immer öfter wird der Eindruck vermittelt, daß bei Gewalt zwischen den in Deutschland lebenden Nationalitäten durchweg Deutsche die Täter und Ausländer die Opfer seien.

Bereits bei der Recherche merkt man, wie schwierig es ist, Gewalttaten zu ermitteln, bei denen der Täter offiziell als Nichtdeutscher genannt wird - um so leichter dagegen ist es, Meldungen über Gewalt gegen Ausländer zu finden. In diesen Fällen werden die Nationalitäten der Beteiligten grundsätzlich genannt.

Vorgaben des Deutschen Presserates

Auch die meisten Tageszeitungen geben die Nationalität der Täter nicht mehr wieder. Teilweise ist der Deutsche Presserat, das Selbstkontrollorgan der Presse, dafür verantwortlich. Dieser gibt zu bedenken, "würde die Nationalität, die ursprüngliche Herkunft oder das soziale und kulturelle Umfeld der Täter genannt, diskriminierte man nicht nur die Einzelnen, sondern pauschal die jeweiligen Volksgruppen".

Problematisch ist auch, daß Informationen über Ausländerkriminalität selbst in offiziellen polizeilichen Kriminalstatistiken, nur gefiltert zu bekommen sind. Hier spielt - wenn nicht bei der Datenerhebung, dann spätestens bei der Auswertung - die "political correctness" eine Rolle. Die aufgeführten Daten werden in alle möglichen verschiedenen Straftaten und Straftäter unterteilt. Zudem gibt es genaue Zahlen über ausländerfeindliche Kriminalität. Nicht ausgewertet wird jedoch , wie oft Deutsche Opfer von ausländischen Straftätern werden.

Die Zahlen des Statistischen Bundesamt und der Polizeilichen Kriminalstatistik sind die einzigen, auf die man sich in Deutschland berufen kann. Aber auch diese Zahlen sind unvollständig. Es wird unter anderem nicht klar, welche Rolle eingebürgerte Ausländer bei der Statistik spielen. In den drei Jahren von 2002 bis 2004 sind 422.431 Menschen einbürgert worden. Wenn diese kriminell werden, zählen sie nicht mehr zur Ausländerkriminalität, sondern müssen in die Zahl der durch Deutsche begangenen Straftaten eingerechnet werden. Dadurch ist es sehr schwer herauszubekommen, welche Gruppen in der deutschen Gesellschaft besonders gewaltbereit oder kriminell sind.

Auch die Zahlen der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik 2005 bedürfen einer Interpretation, um das tatsächliche Verhältnis der Straftaten zu verstehen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob Ausländer unter den Gewaltdelikten mit 25,5 Prozent nur für einen kleinen Teil dieser Straftaten verantwortlich wären. Die restlichen 74,5 Prozent seien ja schließlich durch Deutsche verursacht worden.

Werden diese Zahlen aber in Verhältnis zu dem jeweiligen Bevölkerungsanteil gestellt, sieht es ganz anders aus. Es gibt in Deutschland offiziell 8,8 Prozent Ausländer. Sie machen also ein Zehntel der Gesamtbevölkerung aus. Gewaltdelikte dagegen werden zu 25,5 Prozent von Ausländern begangen, was über einem Viertel der Delikte entspricht. Die Gewaltbereitschaft unter Ausländern ist demzufolge in bezug auf ihren Bevölkerungsanteil überproportional hoch. Die Zahlen müssen also nicht verfälscht werden, wie Kritikern der Einwanderung oft vorgeworfen wird, um ein anderes Bild als das in den Medien propagiert zu vermitteln. Die Zahlen müssen nur in den richtigen Kontext gebracht werden, dann sprechen sie für sich.

Es gibt nur wenige Untersuchungen zur Gewaltbereitschaft von Ausländern in Deutschland. Das Kriminologische Forschungsamt Niedersachsen hat nun eine der ersten umfassenden Studien zu diesem Thema ausgearbeitet. Nach der Studie, die in den kommenden Wochen veröffentlicht wird, werden vor allem türkische Jugendliche häufig gewalttätig. Diese fielen durch Schlägereien und andere Gewalt besonders auf. Das von Christian Pfeiffer geleitete Forschungsamt zeigt zum Beispiel, daß türkischstämmige Jungen viermal häufiger Täter bei Gewalt unter Schülern seien, als dem Bevölkerungsteil entspreche. Die Studie des ehemaligen Innenministers von Niedersachsen zeigt auch, daß es immer häufiger Konflikte zwischen Kindern verschiedener Herkunft gibt. Das gelte laut der Untersuchung für sechzig Prozent der Gewalttaten in Deutschland. "Der häufigste Konflikttyp ist der zwischen einem deutschen Opfer und einem nichtdeutschen Täter", heißt es.


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