© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/06 02. Juni 2006

WIRTSCHAFT
Diktatur der Globalisierung
Jens Jessen

Die globale Ausweitung der Marktkonkurrenz und die Entmachtung des Staates als handelndes Subjekt haben die nationalen Volkswirtschaften zu Erfüllungsgehilfen des "Marktes" verkommen lassen. Den Bürgern wird eingebleut, daß der globale Markt den Marktgesetzen zum Durchbruch verhilft, die wie Naturgesetze zu gelten haben. Diese Ideologie ist Primitiv-Darwinismus, aber deshalb um so wirksamer. Ewige Gesetze sind Kennzeichen totalitärer politischer Bewegungen. Moral und Ethik werden durch sie außer Kraft gesetzt. Der am Markt Strauchelnde ist dem Untergang geweiht und wird nach dem Gesetz des Marktes - je schneller, desto besser - eliminiert. Der Untergang des Klassenfeindes im Bolschewismus wurde, da gesetzmäßig, ebenso beschleunigt wie der Untergang der angeblich lebensunwerten Völker im Nationalsozialismus.

Totalitäre Bewegungen verbinden einschneidende gesellschaftliche Veränderungen mit Heilsversprechungen. Der neue Kapitalismus verspricht den Völkern Freiheit, Demokratie und Wohlstand. Wer keinen Freihandel will, stellt sich ewigen Gesetzen in den Weg: Er will Krieg und muß durch Krieg bekehrt werden. Im Rahmen der Globalisierung werden alle Einrichtungen privatisiert, die der staatlichen Kontrolle oder der Kontrolle durch die Bürger unterworfen sind, inklusive Bildung, Gesundheitswesen, Wasserversorgung und Infrastruktur. Das führt zu einer gleichförmigen und entindividualisierten Welt: eine "Schöne neue Welt" Huxley'scher Art, in der "Stabilität, Frieden und Freiheit" durch Konditionierung des Einzelnen, das Fehlen von tieferen Gefühlen und die Beschränkung von Religion und Kultur gewährleistet werden sollen. Das Jahr 632 nach Ford ist nicht mehr weit.


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