© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/06 26. Mai 2006

Der Lebensplan der Ministerin
Familienpolitik: Private Initiative macht gegen Pläne der Großen Koalition mobil / Kritik an Verstaatlichung der Kindheit
Anni Mursula

Jetzt ist Familie drin", scheint heute nicht nur das Motto des Bundes- familienministeriums, sondern auch das der Großen Koalition zu sein. In den vergangenen Monaten haben viele Bürger kaum ein anderes Ministerium so bewußt wahrgenommen wie das von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie will Familie fördern, junge Menschen zur Familiengründung motivieren, das Erziehungsgeld erhöhen, Väter in Erziehungsurlaub schicken und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Dafür hat sie eine große Kampagne gestartet, den ersten Deutschen Familientag organisiert (JF 21/06) und das Thema Familie in die Medien gebracht. Viele Menschen freuen sich über diese Entwicklung. Endlich scheint auch die Regierung begriffen zu haben, daß die Familie die Keimzelle der Gesellschaft ist, von der die Zukunft aller abhängt.

Das im Juli 2005 gegründete überparteiliche "Familiennetzwerk" blickt dagegen pessimistisch in die Zukunft. Anstatt die Familie zu fördern und sie als den wichtigsten Bezugspunkt für das Kind anzuerkennen, versuche die Bundesregierung Kindererziehung zu verstaatlichen, das Kind so früh wie möglich für Kindergarten und Schule zu verpflichten und den Eltern ihre Wahlfreiheit in Erziehungsfragen zu entziehen, befürchten die Initiatoren. Das sei keine Politik für die Familie, sondern für Arbeitgeber und Karrieremenschen. Auch der medienwirksame Familientag habe im Grunde nur eine Alibifunktion besessen. Damit habe die Regierung unter Umständen nur von möglichen Kürzungen beim Kindergeld und dem Wegfall von Freibeträgen bei künftigen Steuererhöhungen ablenken wollen.

Das Familiennetzwerk, das sich aus zahlreichen ehrenamtlich engagierten Bürgern unterschiedlicher politischer Richtungen zusammensetzt, hat nun die deutschlandweite Protestkampagne "Familie sind Wir!" gestartet, die sich gegen die Familienpolitik der Bundesregierung richtet.

Wie viele Menschen genau hinter der Aktion stehen, kann die Mitinitiatorin der Kampagne, Maria Steuer, allerdings nicht sagen. Das Familiennetzwerk sei innerhalb von acht Monaten auf dreißig Partnervereine gewachsen. Inzwischen gebe es zwanzig Regionalbüros in zwölf Bundesländern, sagte sie dem Deutschlandfunk. Genaue Mitgliedszahlen könne sie nicht nennen, da sie nicht wisse, wie viele Menschen in den jeweiligen Vereinen sind. "Aber wir haben Organisationen, die 10.000 bis teilweise 25.000 Mitglieder haben", so Steuer.

Internetseite bietet Informationen und Kontakte

Das Netzwerk betreibt eine Internet-seite mit Informationen zur aktuellen Kampagne "Familie sind Wir!" sowie Hinweisen auf Publikationen, Kontaktinformationen der Regionalbüros, einer Auflistung der mitwirkenden Vereine. Zudem werden Vorträge zu den Themen Familie und Gesellschaft organisiert.

In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert die Initiative vor allem Gerechtigkeit für die Familien: Sie verlangen konkret, daß Mütter und Väter nicht mehr in der Rentenversicherung oder bei der Einkommensteuer zugunsten von Kinderlosen ausgebeutet werden und betonen, daß es ihnen nicht darum gehe, Unterstützung oder Almosen zu fordern.

Laut Maria Steuer ist es ein Unrecht gegenüber Familien, daß die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes in bezug auf die Rentenversicherung nicht umgesetzt werden. Beide Elternteile würden genötigt, berufstätig zu werden, um dadurch eine spätere Rente zu sichern. Das Familienmodell der Einverdiener-Ehe sei von der Bundesregierung demzufolge unerwünscht, was nicht zuletzt durch die familienfeindlichen finanziellen Belastungen sichtbar werde.

Auch das groß angekündigte Elterngeld sei für das Familiennetzwerk unbefriedigend. Vor allem deshalb, weil es nicht als Auszeichnung für eine gesellschaftlich anerkannte Tätigkeit gezahlt würde, sondern als Ersatz für ausfallendes Erwerbseinkommen. Laut "Familie sind Wir!" werde nach wie vor nicht honoriert, was Mütter und Väter für die Gesellschaft tun, wenn sie sich selbst um ihre Kinder kümmerten. Letztlich würden sie durch das Elterngeld nur für den Verdienstausfall am Arbeitsplatz entschädigt werden. Die Große Koalition zeige damit deutlich, wer gesellschaftliche Anerkennung verdiene und wer nicht.

Damit setzt sich die Familienpolitik der Bundesregierung nach Ansicht der Initiative nicht für die Rechte der Kinder ein, sondern nur für die der Erwachsenen. Die Regierung verteidige das Recht der Väter und Mütter, sich beruflich zu verwirklichen. Um das zu ermöglichen, müßten staatlich subventionierte Betreuungsplätze geschaffen werden. Ob das wirklich gut für die Kinder ist, interessiere keinen.

Das Familiennetzwerk kritisiert allerdings nicht allein die Entscheidungsträger, sondern ebenfalls die allgemeine Stimmung in der Gesellschaft. Diese sei egoistisch und hedonistisch und ziele nur auf die Befriedigung der eigenen Wünsche ab. Wenn man Kinder bekomme, sei das höchstens noch eine Nebensache, für die man nicht bereit ist, anderes aufzugeben. Die meisten Menschen wollten den gleichen finanziellen Lebensstandard behalten und sich in bezug auf Beruf und Freizeitgestaltung uneingeschränkt ausleben können. Dabei kämen die Kinder immer zu kurz. Das Netzwerk setze sich deshalb für eine Politik ein, die sich am Schutz der Familie und am Wohl des Kindes orientiert, statt sich einseitig nach den Wünschen und Vorstellungen der Erwachsenen auszurichten.

Kampf gegen Diskriminierung

Neben dem Einsatz für die Rechte der Kinder kämpft das Familiennetzwerk auch gegen die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen, die sich bewußt für den Beruf als Mutter entschieden haben. Der Gedanke, daß eine Frau, die bei ihren Kindern bleibt, nicht wirklich arbeite, habe sich bereits in der Gesellschaft festgesetzt. Schließlich zahle sie ja auch keine Steuern und Sozialabgaben.

Viele der Frauen, die sich für das Familiennetzwerk und die Kampagne "Familie sind Wir!" einsetzen, wollen beides: Beruf und Mutterschaft. Aber im Gegensatz zu dem, was heute von den Frauen erwartet wird - nämlich beides zu vereinen -, wollen sie diese beiden Dinge nacheinander wahrnehmen. Außerdem sei für diese Frauen die Rolle als Mutter weit wichtiger als die berufliche.

In einem Brief an Familienministerin von der Leyen schreibt Maria Steuer: "Mir scheint es fast so, als ob Sie Ihren Lebensplan als den allein glücklich machenden betrachten und nun über die Geldverteilung den Rest der Mütter zwingen wollen, ebendiesen - Ihren Plan - auch zu leben. Von Wahlfreiheit kann so nicht die Rede sein, denn Einverdiener-Familien können sich Familienerziehung kaum noch leisten."

 Weitere Informationen im Internet: www.familie-sind-wir.de , www.familien-ev.org , www.familiennetzwerkforum.de/netzwerker.html , www.familienwehr.de 


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen