© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/06 26. Mai 2006

Das Brett vor der Sonne beseitigen
Umweltpolitik: Erneuerbare Energien garantieren eine dauerhafte, sichere, emmissionsfreie und unabhängige Energieversorgung
Franz Alt

Wir verbrauchen heute an einem Tag so viel Kohle, Gas und Öl wie die Natur in 500.000 Tagen angesammelt hat. Das ist die Ursache des größten Problems der heutigen Zivilisation: des Treibhauseffekts. Bis zu fünf Grad wird die globale Erderwärmung im 21. Jahrhundert zunehmen, wenn wir so weitermachen. Wir verbrauchen in wenigen Jahrzehnten, wozu die Natur Hunderte Millionen Jahre gebraucht hat. Wir verbrennen die Zukunft unserer Kinder und Enkel.

Dabei gibt es alle Alternativen der Welt. Allein die Sonne schickt uns jeden Tag 15.000mal soviel Energie wie alle 6,4 Milliarden Menschen zur Zeit verbrauchen. Die erneuerbaren Energien haben gegenüber fossilen und atomaren Rohstoffen einen unschlagbaren ökonomischen Vorteil: Sonne und Wind, Erdwärme und heimisches Wasser schicken keine Rechnung. Den Stoff gibt es umsonst. Wir brauchen "nur" Massenproduktion bei den Technologien. Das schafft Hunderttausende neuer Arbeitsplätze und macht zukunftsfähige Export-Offensiven möglich. Die Europäische Kommission in Brüssel hält den hundertprozentigen Umstieg auf erneuerbare Energien in den nächsten 50 Jahren für möglich und prognostiziert hierfür fünf Millionen neue Arbeitsplätze - allein über eine Million in Deutschland.

22 Millionen Gebäude in Deutschland können 22 Millionen kleine Solarkraftwerke werden. Riesenvorteil dabei ist, daß die gesamte Infrastruktur steht. Wir müssen uns nur öffnen nach oben, für die Energie von ganz, ganz oben. Für die Energie vom "Chef" selbst.

In der gegenwärtigen Diskussion wird oft übersehen oder bewußt verschwiegen, daß die erneuerbaren Energien in den letzten zehn Jahren um etwa 50 Prozent preiswerter wurden, während die alten Energien immer teurer wurden und werden.

Nur erneuerbare Energien garantieren eine dauerhafte, sichere, emmissionsfreie, kostengünstige und unabhängige Energieversorgung. Deutschland und Europa sind erneuerbar. Die Alternative heißt: erneuerbare Energien statt Atomkraft und Erdöl. Bestes Beispiel, das aber kaum jemand kennt: Der Reichstag in Berlin wird zu 85 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt.

Das größte Problem sind Vorurteile und Ignoranz gegenüber den Chancen mit erneuerbaren Energien. Wir sollten endlich das Brett vor der Sonne beseitigen. Die Energiefrage ist der Schlüssel für eine gute Zukunft. Ohne Energie kein Leben, kein Wohlstand und keine boomende Wirtschaft. Die Lösung der Energiekrise steht am Himmel. Es gibt zwei Hoffnungszeichen:

Erstens: Das im Jahr 2000 beschlossene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat in Deutschland dazu geführt, daß Sonnenenergie, Windkraft und Biomasse jetzt endlich in Schwung kommen. Über 40 Staaten haben dieses Gesetz inzwischen in Teilen übernommen oder diskutieren es. Darunter Schwergewichte wie China, Indien und Brasilien. Deutschland gewinnt 2006 bereits elf Prozent des Stroms aus Wind, Wasser, Biomasse und Sonnenstrahlen.

Zweitens: Die ersten europäischen Ölkonzerne haben bereits die Zeichen der Zeit erkannt und bauen -wie zum Beispiel Shell oder BP - Solarfabriken, Biomasse-Kraftwerke und demnächst Windparks.

Die Frage ist nicht mehr, ob wir den hundertprozentigen Umstieg von den endlichen fossilen auf die erneuerbaren Energien schaffen, sondern einzig, ob wir ihn rechtzeitig schaffen. Alles liegt an uns - an wem denn sonst?

 

Dr. Franz Alt ist Journalist und Buchautor. Er leitete 21 Jahre das ARD-Magazin "Report", danach präsentierte er bis zu seiner Pensionierung 2003 das 3sat-Magazin "Grenzenlos". Er schrieb mehrere Bücher, darunter: Franz Alt, Brigitte Alt: Die Sonne schickt uns keine Rechnung - Neue Energie - Neue Arbeitsplätze, Piper Verlag, München 2004, brosch., 206 Seiten, 9,90 Euro. Mehr im Internet unter www.franzalt.de 


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen