© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/06 12. Mai 2006

Grüner Wortbruch
Wohnungsverkauf: Freiburgs Bürgermeister möchte nach Dresdner Vorbild den Haushalt sanieren - trotz gegenteiliger Versprechungen
Andreas Strittmatter

Die Verlockung ist groß, das Ansinnen ehrenwert: Am Vorsatz, die Schuldenuhr der Stadt Freiburg möglichst Ende 2007 von bis dahin prognostizierten 370 Minusmillionen auf eine schwarze Null zurückzudrehen, arbeitet derzeit der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon, sekundiert vom christdemokratischen Finanzdezernenten der Stadt, Otto Neideck.

Das Mittel scheint in greifbarer Nähe und hat sich augenscheinlich andernorts bereits bewährt: Es dürfte kaum ein Zufall sein, daß Salomon bald nach dem Verkauf der kommunalen Dresdner Wohnungsgesellschaft WOBA an den amerikanischen Investor Fortress seine Bürgerschaft mit der Idee konfrontierte (JF 12/06), einen potenten Käufer für die Freiburger Stadtbau GmbH mit knapp 8.000 Wohnungen und den sonstigen Wohnbesitz der Stadt (1.000 Einheiten) zu suchen.

Wohnraum ist in der Stadt Mangelware

Immerhin erlösten die 48.000 Wohnungen der WOBA 981,7 Millionen Euro und sorgen in nächster Zeit für schuldenfreies Wirtschaften in Dresden - ein Stückchen vom elbflorentinischen Glück möchte sich Salomon auch in den Breisgau holen. Natürlich liegt der Plan der kommunalen Exekutive den rund 30.000 Menschen in den Stadtbau-Wohnungen schwer im Magen, auch wenn eine Sozialcharta nach Dresdner Vorbild Unbill von den Mietern fernhalten soll.

Die Sache hat zumindest einen großen Haken: Während es in Dresden an potentiellen Mietern mangelt und damit der Gewinnmaximierung eines Investors Grenzen gesetzt sind, herrscht in Freiburg Mangel an Wohnraum - in sämtlichen Wertlagen, aber vor allem in jener Preisklasse, die sich auch Normalverdiener noch leisten können. Daß ein Investor, ob aus Deutschland oder dem Ausland, ob mit oder ohne Sozialcharta, darauf verzichten könnte, aus dem umkämpften Markt einer zumindest an Einwohnern wachsenden Stadt größtmöglichen Gewinn zu erziehen, mag keiner der Verkaufsgegner glauben.

SPD und linkere Gruppierungen im Rat haben sich daher klar gegen das Vorhaben ausgesprochen. Die CDU übt sich, nachdem die Fraktionsvorsitzende zuerst zugunsten des Verkaufs vorgeprescht ist, im Abwarten und Abwägen, wie weit der Volkszorn kommende Wahlergebnisse drücken könnte. Die FDP stimmt für den Verkauf, wenn er mit einer Selbstverpflichtung einhergehe, im folgenden Jahrzehnt keine neuen Schulden aufzunehmen.

Wie immer man zur Verkaufsidee auch stehen mag - die Reaktion der Grünen ist am ärgerlichsten, denn hier geschieht Wortbruch auf der ganzen Linie. Das fängt beim grünen Stadtchef Salomon an, der als Kandidat für den Sessel des Oberbürgermeisters dem Mieterbeirat der Stadtbau vor vier Jahren schriftlich zusicherte, daß es mit ihm "keine Sanierung des städtischen Haushaltes über den Verkauf von Wohnungen" geben werde.

Erinnerungslücken scheinen auch bei der grünen Gemeinderatsfraktion vorhanden, die vor zwei Jahren erst in ihrem Wahlprogramm einige Wohnungsverkäufe jener Stadtbau GmbH kritisierte, die man nun im Ganzen verscherbeln möchte, wohlwissend, wie Kritiker anmerken, daß auch der Schutz einer Sozialcharta nur befristet sein kann. Man berate noch, läßt Fraktionsgeschäftsführer Eckart Friebis Pressevertreter mißmutig wissen, wobei der Verweis auf Medienberichte, die Grünen zählten zu den Befürwortern des Verkaufs, selbst auf insistierende Nachfrage hin von Friebis nicht dementiert wird. Derweil räumt die Fraktionschefin Maria Viethen bereits ein, daß sich die Grünen "nicht drücken" können, wenn es gilt, für den Verkauf der Wohnungen Mehrheiten im Rat zu beschaffen.

Zum Verkauf gebe es keine Alternative

Zum Verkauf der Stadtbau gebe es keine Alternativen, argumentieren Befürworter und weisen darauf hin, daß sonst das Regierungspräsidium der Stadt einen Zwangshaushalt verordnen und sämtliche Investitionsvorhaben auf Eis legen würde. Derweil werden alternative Vorschläge im Zeichen ökologischer Nachhaltigkeit vom Tisch gewischt. Einem weiteren Verkauf von Bauflächen im neu entstandenen Stadtteil Rieselfeld stehe der Naturschutz entgegen, während das Areal des Freiburger Provinzflughafens um des Stadtklimas willen weiterhin nicht erschlossen werden solle. Hinzu kommt, daß Freiburg in den letzten Jahren, gleichfalls mitverantwortet durch die starke grüne Ratsfraktion, neue Gewerbeflächen - wenn überhaupt - nur unter Ächzen und Stöhnen ausgewiesen hat.

Mit der Gewinne erwirtschaftenden Stadtbau, deren Geschichte 1919 als Städtische Siedlungsgesellschaft mit dem Gedanken begann, in schwerer Zeit für soziale Ausgewogenheit Sorge zu tragen, würde Freiburg lieber erneut Tafelsilber verkaufen. Daß sich hernach Haushaltsdisziplin einstellen könnte, wie sie etwa die FDP einfordert, scheint zweifelhaft - bislang konnte nicht einmal die Schuldenlast zu verantwortungsvollem Wirtschaften animieren.

Foto: Dieter Salomon, Protestplakate: Schriftliche Zusicherung


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