© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/06 12. Mai 2006

PRO & KONTRA
Propaganda-Delikte abschaffen?
Björn Clemens / Alexandra Hildebrandt

Der Staat muß nicht dulden, daß jemand im öffentlichen Raum Hakenkreuzfahnen schwenkt oder Hitlergrüße entbietet. Dennoch sind die Propagandadelikte des Strafgesetzbuches über die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen (§§ 86 und 86a) als Ausdruck der Gesinnungsstrafrechts abzulehnen.

Das beginnt damit, daß ihre Anwendung, soweit sie sich nicht auf verbotene Vereinigungen bezieht, auf Propagandamittel bzw. Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen beschränkt ist. Kommunistische oder islamistische Organisationen genießen demgegenüber Narrenfreiheit. Es setzt sich fort, daß ihnen zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen gleichgestellt werden, was zu einer nicht überschaubaren Kasuistik führt, deren rechtsstaatliche Legitimation bisweilen zweifelhaft sein kann, wie überhaupt manche Einordnung unter den Tatbestand merkwürdig anmutet. Warum etwa die Odalsrune in einer anderen Verwendung als der des Rangabzeichens des Feldwebels strafbar sein soll, ist nicht nachzuvollziehen. Welches Rechtsgut von ihrem Verbot geschützt wird, liegt im dunkeln. Es endet mit einer zum Teil skurrilen Rechtsprechung, so wenn ein junger Mann wegen § 86a StGB bestraft wird, der ein Hakenkreuz auf den eigenen Arm tätowiert hat. Zeitungen wie der Spiegel können im übrigen ungestraft Adolf Hitler in vollem Ornat und mit ausgestreckter rechter Hand abbilden, weil für sie eine Freistellung gilt, die Berichte über das Zeitgeschehen von Strafe ausnimmt. Daß der dabei erzielte reißerische Effekt, für den der Führer immer gut ist, die kommerziellen Interessen der Blätter und Sender beflügelt, nimmt der liberale Rechtsstaat gerne hin. Wenn in diesem Bereich tatsächlich Rechtsgüter geschützt werden sollen, anstatt sie zu politischen Zwecken zu mißbrauchen, ist eine Neuregelung der Vorschriften unumgänglich.

 

Dr. Björn Clemens, Rechtsanwalt in Düsseldorf, ist insbesondere im Bereich des politischen Strafrechts tätig.

 

 

Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 und der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 endete auch die grausame Geschichte des Unrechtsstaates DDR. Die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur bringt jedoch immer mehr Fakten über deren Verbrechen ans Licht. Das "Schwarzbuch des Kommunismus" spricht von fast 100 Millionen Todesopfern.

In seiner Sitzung am 25. Januar 2006 verurteilte die Parlamentarische Versammlung des Europarats entschieden die kommunistischen Menschenrechtsverletzungen. Die entsprechende Resolution 1481 (2006) fordert die internationale "Verurteilung der Verbrechen totalitärer kommunistischer Regimes" ebenso wie bei nationalsozialistischen Verbrechen. Auf europäischer Ebene wird unter anderem eine "öffentliche Bewußtseins-Kampagne" gefordert. Das impliziert Handlungsgebote, wie sie von anderen ehemals kommunistischen Staaten bereits umgesetzt worden sind. So ist in Lettland und Litauen die kommunistische Partei verboten. In Polen, Ungarn und Tschechien sind die kommunistischen Symbole per Gesetz untersagt.

In Deutschland hingegen sind die Relikte des kommunistischen Unrechtsstaates DDR überall für wenig Geld zu erwerben: Uniformen der NVA und der Stasi, DDR-Fahnen, FDJ-Utensilien, DDR-Auszeichnungen. Sie stehen für das Blut und die Tränen von Millionen Menschen! Das Leid der Opfer wird auf diese Weise bagatellisiert und verharmlost. Zu Recht werden dagegen nationalsozialistische Propaganda-Delikte sowohl in der Handlung wie in der textilen Symbolik verfolgt. Gleiches muß aber auch für die unerträgliche und gedankenlose Geschäftemacherei mit den Symbolen des totalitären kommunistischen Systems gelten, die ungeniert öffentlich verwendet werden. Wir appellieren daher an die Politik der Bundesrepublik, sich der Resolution 1481 des Europarats anzuschließen und diese zu verwirklichen.

Alexandra Hildebrandt ist Direktorin der Gedenkstätte "Mauermuseum - Museum Haus am Checkpoint Charlie" .


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