© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/06 05. Mai 2006

Militärische Gewalt gegen das Atomprogramm
Iran-Konflikt: Die USA wollen notfalls auch ohne Uno-Madat eine neue "Koalition der Willigen" formieren / Schärfere Töne
Alexander Griesbach

Letzten Freitag verstrich die Frist, die der Uno-Sicherheitsrat dem Iran zur Einstellung seines Atomprogramms gesetzt hatte. Wie zu erwarten, ist der Iran den Forderungen nach Einstellung der Urananreicherung nicht nachgekommen. Die Reaktion von George W. Bush fiel zunächst moderater aus als gedacht. Es gehe jetzt darum, so der US-Präsident, eine "internationale Allianz" zu formen und den Iran auf "friedliche Weise zur Aufgabe seiner Atomambitionen zu bewegen". Die "Diplomatie" sei "die erste Wahl".

Seine Außenministerin Condoleezza Rice deutete allerdings vor dem informellen Treffen der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands in Paris auch die "zweite Wahl" an: Sollte das höchste UN-Gremium nicht schnell genug handeln, "haben wir gleichgesinnte Länder, die in der Lage und bereit wären, zusätzliche Maßnahmen in Betracht zu ziehen", erklärte Rice am Wochenende im US-Sender ABC.

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad betonte indes nochmals, daß keine Uno-Resolution Teheran zur Einstellung seines Atomprogramms bewegen könne. Genau dies aber wollen die USA durchsetzen, die in den letzten Wochen mehr und mehr die Sichtweise Israels übernommen haben, wonach bereits die technische Option der Urananreicherung verhindert werden müsse.

Direkte Bedrohung für die USA und ihre Alliierten

Dies bestätigte kürzlich der US-Journalist Seymour Hersh in einem Beitrag für den New Yorker, in dem er sich auf ein Gespräch zwischen Robert Joseph, dem US-Staatssekretär für Rüstungskontrolle, und Mohamed El-Baradei, dem Generalsekretär der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), beruft. "Wir werden keine einzige arbeitende Zentrifuge im Iran dulden. Der Iran stellt eine direkte Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Alliierten dar, und wir werden das nicht tolerieren. Wir wollen, daß Sie (El-Baradei) mit uns übereinkommen, daß Sie öffentlich nichts sagen, was unsere Position unterläuft", habe Joseph erklärt.

Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow fand deutliche Worte in Richtung Iran, als er am Wochenende bei einem Gespräch mit seinem iranischen Amtskollegen Manutschehr Mottaki forderte, der Iran solle einlenken und auf die umstrittene Urananreicherung verzichten.

Letzte Woche war zudem bekanntgeworden, daß von Sibirien aus ein neuer israelischer Spionagesatellit in eine Erdumlaufbahn gebracht wurde. "Eros B" liefere "exzellente" Bilder auch vom Iran, man könne unter anderem Menschen auf der Straße gehen sehen, verriet ein Mitarbeiter der Betreiberfirma ImageSAt der israelischen Zeitung Ha'aretz. Im Zeitalter des weltweiten Terrors seien "globale Geheimdienstinformationen eine Notwendigkeit, und dies ist es, was der Satellit leistet", hieß es weiter.

Daß Rußland deshalb auch bei einem Militärschlag gegen den Iran dabei ist und an der neuen "Koalition der Willigen" teilnimmt, die US-Außenministerin Rice erstmals am 20. April öffentlich ins Gespräch brachte, ist dennoch unwahrscheinlich. "Für das Recht auf Selbstverteidigung wird nicht unbedingt eine Resolution des Weltsicherheitsrates benötigt", erklärte Rice damals mit Blick auf die Vetomächte Rußland und China.

Der "Fall Iran" sei deshalb anders gelagert als der "Fall Nordkorea", weil das Land in die internationale Wirtschaftsgemeinschaft integriert sei. "Die Iraner sind Teil der internationalen Gemeinschaft, und die iranischen Experten haben Zugriff auf das internationale System."

Daß Israel diesmal - im Gegensatz zum Irak - in einer neuen "Koalition der Willigen" der Hauptverbündete der USA sein dürfte, daran bestehen kaum noch Zweifel. Hersh meint sogar, daß Israel ein Beweggrund für die Entscheidung des Weißen Hauses gewesen sein könnte, Planungen für einen Militärschlag gegen den Iran einzuleiten: "Verschiedene Beamte haben mir mitgeteilt, ein Faktor bei der Entscheidung zum Beginn der gegenwärtigen operationalen Planungen sei das Interesse des Weißen Hauses, einen israelischen Angriff auf ein islamisches Land zu verhindern, der eine Gegenreaktion in der Region heraufbeschwören könnte", schreibt er im New Yorker.

"Unseren Verbündeten Israel schützen"

Daß Bush es ernst meint, zeigte schon seine Rede in Cleveland vom 20. März, als er erklärte: "Ich habe es bereits klargestellt, und ich stelle es nochmals klar, daß wir militärische Gewalt anwenden werden, um unseren Verbündeten Israel zu schützen."

Auch die Töne von Mitgliedern der israelischen Regierung in Richtung Iran werden immer deutlicher. So bezeichnete Israels Verteidigungsminister Schaul Mofas das Atomprogramm des Iran als die "größte Bedrohung für das jüdische Volk seit dem Holocaust" und fügte hinzu: "Seit Hitler haben wir nicht mehr einer solchen Bedrohung ins Auge geschaut." Israels Ministerpräsident Ehud Olmert selbst nannte Präsident Ahmadinedschad laut Bild sogar einen "Psychopathen der übelsten Sorte", der "brandgefährlich" sei.


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