© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/06 05. Mai 2006

Vorwärts immer, rückwärts nimmer
Fusion: Delegierte der Linkspartei und der WASG stimmen für Zusammenschluß / Vorstandsmitglied wechselt zur NPD
Josef Hämmerling

Die Fusion von Linkspartei.PDS und der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) ist einen Schritt nähergerückt; die Selbstzerfleischung der WASG setzt sich fort. Das ist das Kurzresümee der Geschehnisse des vergangenen Wochenendes. In Halle (Linkspartei) und Ludwigshafen (WASG) haben beide Parteien zwar die Voraussetzungen für eine Fusion geschaffen. So stimmten 186 der 322 WASG-Delegierten für eine Fusion mit der PDS, während 107 Delegierte dagegen votierten. Allerdings gibt es besonders in der WASG noch immer massive Widerstände hiergegen.

Die Spitzen beider Parteien übten sich erst einmal in Harmonie. So begrüßte der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Oskar Lafontaine (WASG), die "Weichenstellung" und meinte, die "neue Linke wird nicht scheitern"! Gleichzeitig brachte er sich als Parteivorsitzender ins Gespräch. Und der in seinem Amt bestätigte PDS-Parteichef Lothar Bisky nannte eine gesamtdeutsche Linkspartei "ein Stück längst überfälliger europäischer Normalität". Der zweite Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, versprach der WASG, bei der Fusion gehe es nicht um Ein- oder Unterordnung. Notwendig sei jetzt ein rasches Handeln: "Wir sollten uns beeilen, denn die Probleme, die wir haben, werden wir sowieso nicht los." Ursprünglich ist die Fusion für den Juni 2007 geplant.

Mit diesen schönen Worten sollen die vielen internen Widerstände der WASG gegen einen Zusammenschluß mit der PDS in der Öffentlichkeit vergessen gemacht werden. Denn obwohl die Mehrheit des Parteitags mit 163 zu 122 Stimmen den Berliner Landesverband der WASG aufforderte, im September auf eine Gegenkandidatur zur PDS bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl zu verzichten, will sich dieser dem Votum nicht beugen und beharrt auf einem Antritt bei den Wahlen. Und das, obwohl der Bundesvorstand von der Mehrheit der Delegierten aufgerufen wurde, "alle Maßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls zu ergreifen, um dem Willen des Parteitags Geltung zu verschaffen". Und auch Gysi zeigte sich überzeugt, daß es genügend Möglichkeiten gäbe, eine Kandidatur der WASG in Berlin zu verhindern. Wäre das nicht der Fall, würde es eine große Belastung der Beziehungen darstellen.

Gysis Worte sind verständlich, denn die WASG hat bei den Wahlen in der deutschen Hauptstadt beste Chancen, der PDS reichlich Stimmen abzujagen. In der linken Szene Berlins wird der Linkspartei nämlich "eine neoliberalistische Politik" vorgeworfen. Sie habe ihre Seele zugunsten der Regierungsbeteiligung verkauft.

Die Berliner WASG-Spitzenkandidatin Lucy Redler, die sich selber als Trotzkistin bezeichnet, die Überführung von Konzernen in Gemeineigentum fordert und sich für eine "revolutionäre Masseninternationale" ausspricht, hat in der linksextremen Szene Berlins großen Anklang gefunden, so daß viele PDSler befürchten, sie könne die WASG damit über die Fünf-Prozent-Hürde führen. Das könnte aber eine weitere Regierungsbeteiligung der Linkspartei im Berliner Senat gefährden.

Während viele nun erwarten, daß es zu einer Spaltung der WASG kommen könnte, sieht Gregor Gysi dies alles pragmatisch. Er verwies darauf, daß von den rund zwölftausend WASG-Mitgliedern etwa neuntausend erst Mitglied der Partei geworden seien, als sich Oskar Lafontaine der WASG angeschlossen habe. Sie seien auf diesem Parteitag aber noch ohne Stimmrecht gewesen. Im kommenden Jahr sehe dies aber ganz anders aus, und dann werde es auch innerhalb der WASG eine breite Zustimmung für die neue einheitliche Linkspartei geben.

Kein Thema war dagegen der Übertritt des bisherigen Parteivorstandsmitglieds Andreas Wagner zur NPD, den dieser mit dem "Ausverkauf der WASG durch die Fusion mit der PDS" begründete. Interessant ist dabei, daß nach Wagners Übertritt eine Medienkampagne einsetzte, die darin gipfelte, daß ihm angeblich eine Haftstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung drohe, weil er den Ex-Freund seiner Freundin angegriffen haben soll. Bemerkenswerterweise fand dies keine Erwähnung, solange Wagner noch WASG-Mitglied war.

Foto: Zwei Spielzeugfiguren tragen die Fahnen der PDS und der WASG: Auf dem Weg zur gemeinsamen Linkspartei sind die Genossen ein gutes Stück vorangekommen


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