© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/06 28. April 2006

Anleitung zur Elchjagd
Große Koalition: Der Streit um das Elterngeld spaltet die Union / Merkels Führungsstil erinnert an Kohl
Paul Rosen

Der Streit um das Elterngeld spaltet die Union. Die Frontlinien verlaufen quer durch die Parteiflügel. Rechte Unionspolitiker wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch sind für die Regelung, konservative CSU-Politiker wie der Münchner Abgeordnete Johannes Singhammer strikt dagegen. Aber die CSU-Frauen unterstützen den Plan von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), während der dem linken Parteiflügel zugerechnete nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ihn ablehnt.

Im Grundsatz ist das Elterngeld eine vernünftige Idee. Vor Jahren noch undenkbar, hat die Bevölkerungspolitik inzwischen Eingang in das Regierungshandeln gefunden. Selbst die SPD leugnet nicht mehr, daß in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden. Daher will die Koalition Anreize für mehr Kinder geben. Einer davon ist das Elterngeld, das während der Arbeitspause eines Elternteils nach der Geburt eines Kindes 67 Prozent des Nettoeinkommens betragen soll. Die Höchstsumme ist auf 1.800 Euro im Monat begrenzt.

Der Streit entzündet sich an der Bezugsdauer. Von der Leyen will das Geld nur dann zwölf Monate zahlen, wenn die Auszeit mindestens zwei Monate vom anderen Elternteil genommen wird. Damit sollen, so die dahinterstehende Absicht, auch die Väter an den Wickeltisch gezwungen werden. Daß dies in der Praxis nur unzureichend funktioniert, zeigt sich am Beispiel anderer Länder, wo es ähnliche Regelungen gibt. In Nordeuropa nutzen Männer die Arbeitspause angeblich gerne zur Elchjagd. In Deutschland wird die Debatte grundsätzlich geführt. Große Freude herrscht in Reihen der SPD, wo die Familienministerin hohe Sympathien genießt: "Die Vätermonate sind für einige Herren in der Union sicher verwirrend, aber ab und zu muß man in der Politik ein Zeichen setzen", so Sozialminister Franz Müntefering.

In der SPD ist man aus zwei Gründen entzückt: Zum einen streitet sich die Union, und zum anderen ist von der Leyen dabei, klassisches sozialdemokratisches Gedankengut in die Tat umzusetzen. Der Staat, für SPD-Politiker stets ein Allheilmittel, soll jetzt mit sanftem gesetzlichen Druck dafür sorgen, daß sich auch Väter an der Erziehung beteiligen. "Es geht", sagt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla etwas vernebelnd, "um das Ermöglichen von Erziehungsverantwortung durch Väter."

Der Staat will einen Fuß in die Tür

Darum geht es natürlich nicht. Der Streit um das Elterngeld hat ein größere Dimension. Der Staat will bei den Familien einen Fuß in die Tür bekommen, will auch die allerletzte Privatsphäre mit Vorschriften überziehen und das private Verhalten von Familienangehörigen regeln. Was im Strafrecht vor Jahren begann, als Staatsanwälten und Richtern über den neuen Strafbestand "Vergewaltigung in der Ehe" der Zugang zum ehelichen Schlafzimmer eröffnet wurde, setzt sich nun in der finanziellen Förderung fort. Und die besondere Stellung von Ehe und Familie, die unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen, wurde bereits durch die weitgehende Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften unterhöhlt.

Väter sollen natürlich das Recht haben, Erziehungsverantwortung zu übernehmen. Nur die Entscheidung hat nicht der Staat über gesetzliche Instrumente, sondern die Familie in eigener Verantwortung zu treffen.

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer klagt, daß die Regelung im Koalitionsvertrag "grottenschlecht" formuliert sei. Dies habe zu dem Mißverständnis geführt, "daß ein Elternteil, wenn er die Erwartungshaltung des Staats nicht erfüllt, mit Geldentzug zu rechnen hat".

Ramsauer meint offenbar, daß man das Elterngeld besser für zehn Monate hätte zahlen und bei Urlaub des anderen Elternteils auf zwölf Monate hätte verlängern können. Der Koalitionsvertrag enthält in diesem Punkt eine Kann-Bestimmung: "Die zwölf Monate des Bezugszeitraums können zwischen den Eltern aufgeteilt werden. Zwei Monate bleiben dem Vater, zwei Monate der Mutter reserviert." In der CSU ist die Frontlage besonders unübersichtlich. Dem Landesgruppenvorsitzenden dürfte es schwerfallen, seine bayerischen Abgeordneten auf Linie zu bringen.

Angela Merkel hat sich in der Frage nicht eindeutig festgelegt. Sie hat zwar für die Programmdiskussion ihrer Partei die Freiheit als höchstes Ziel formuliert, läßt aber andererseits zu, daß die Wahl- und Entscheidungsfreiheit in den Familien in Frage gestellt wird.

Merkel orientiert sich an ihrem einstigen Ziehvater Helmut Kohl, der auch erst dann eine Entscheidung traf, wenn die Mehrheitsverhältnisse klar waren. Wie sich die Bilder gleichen: Kohl hielt bis zum Schluß an der permanent gegen die Parteilinie opponierenden Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth fest. Ein ähnliches Rollenspiel fällt im Verhältnis zwischen Kanzlerin und Familienministerin auf. Der nächste Fall kommt: Von der Leyen will den Besuch von Kindergärten zur Pflicht machen.

Foto: Neue Wege in der Familienpolitik (CDU-Wahlplaket 2005): Die Frontlinien in der Union sind unübersichtlich


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