© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/06 21. April 2006

Frisch gepresst

Dönitz.Über Großadmiral Karl Dönitz ist viel geschrieben worden. Jede weitere Publikation begibt sich daher auf Wiederholungskurs. Wenn dabei aber, wie dies die Bibliographie des zeithistorisch bislang unausgewiesenen Meinolf Reitz zeigt, kritische Dönitz-Literatur ausgeblendet wird, hat ein Werk nicht einmal didaktischen Wert. Also überliest man am besten Reitz' knappe Einleitung zum atlasformatigen Bildband "Großadmiral Karl Dönitz und die deutsche Kriegsmarine" (Verlag Pour le Mérite, Selent 2006, 158 Seiten, durchgehend mit farbigen Abbildungen, 25,95 Euro) und konzentriert sich auf die Fotos. Die sind von unterschiedlicher Qualität: Einige, die aus den Beständen des Imperial War Museum stammen, konnten gestochen scharf reproduziert werden, andere, aus dem legendären Archiv von Walter Frentz (wegen des spätromantisch-magischen Lichtzaubers, in den er sein männliches Hauptmotiv gern tauchte, heute natürlich als "des Teufels Fotograf" verfemt) oder aus Privatsammlungen, weisen verschwimmende Farben aus, wieder andere, ohne Quellenangabe, wirken wie nachkoloriert. Ungeachtet solcher technischer Mängel erzeugt die Massierung von Farbaufnahmen aus einer Epoche, die sich ins kollektive Bildgedächtnis "schwarzweiß" eingebrannt hat, den Brechtschen V-Effekt: Das Distanz schaffende Hell-Dunkel der Familienalben und Wochenschauen verwandelt sich in bunte Nähe, die Vergangenes auf unerklärlich-verstörende Weise präsent macht.

Barbarossa. Peter von der Osten-Sacken, baltischer Baron des Jahrgangs 1909 und nach 1945 lange Leiter der Lübecker Sternwarte, hat sich entschlossen, seine Erinnerungen an den Ostfeldzug aufzuzeichnen. Osten-Sacken war im Bereich der Heeresgruppe Mitte als Sonderführer und Dolmetscher eingesetzt. Er kam also auf vielfache Weise mit dem "Feind" in Berührung, war auch 1942 bei einer Feldkommandantur dafür zuständig, bei der russischen Zivilbevölkerung die Bereitschaft zur Kollaboration zu fördern. So bieten seine leider die Chronologie manchmal aus den Augen verlierenden Impressionen ein vielschichtigeres Bild vom Alltag des Krieges als Aufzeichnungen, die nur "Fronterlebnisse" überliefern (Vier Jahre Barbarossa. Authentische Berichte aus dem Rußlandfeldzug 1941 bis 1945, Haag+Herchen, Frankfurt/M. 2005, 204 Seiten, Abbildungen, 25 Euro).


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