© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/06 21. April 2006

Antonioni war er doch nicht
R. Fritz und H. Anders im Deutschen Filmmuseum
Werner Olles

Der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Roger Fritz dürfte außer ein paar Cineasten heute kaum noch einem Kinogänger bekannt sein. Und doch hat auch er ein Stück deutsche Filmgeschichte geschrieben, wenngleich die meisten Titel inzwischen - nicht zu Unrecht - vergessen sind.

Und selbst Helga Anders, von Fritz zur Ikone des neuen deutschen Films stilisiert, sieht man allenfalls noch in den zeitweilig in den dritten Programmen laufenden Familienserien "Forellenhof" als Hans Söhnkers Tochter oder als Lore Scholz in den legendären "Unverbesserlichen" mit Inge Meysel und Josef Offenbach. Es waren nicht ihre schlechtesten Rollen.

1962 hatte die Vierzehnjährige mit Heinz Rühmann in "Max, der Taschendieb" gespielt. Gerade einmal achtzehn, lernte sie Fritz kennen, der sie zum gemeinsamen Filmdebüt in "Mädchen, Mädchen" überredete. Schon bald wurden die beiden ein Paar, und ein Jahr nach der glamourösen Hochzeit kam Töchterchen Leslie Tatjana zur Welt.

Diese begab sich nun zur Eröffnung der Doppelausstellung "Zwischen uns beiden" nach Frankfurt. Sie ist inzwischen Regieassistentin und Cutterin und wird demnächst eine Dokumentation über ihre im Alter von nur 38 Jahren im März 1986 an einem Herzversagen verstorbene Mutter vorstellen. Es wurde übrigens nie eindeutig geklärt, ob der Tod der jungen Schauspielerin, die nach ihrer Scheidung von Fritz 1974 schlimme Alkohol- und Drogenprobleme hatte, nicht doch auf einen Suizid zurückzuführen war.

Helga Anders hat in fast 150 Filmen und Fernsehspielen mitgewirkt. In dem Episodenfilm "Erotik auf der Schulbank" spielte sie 1968 unter der Regie von Roger Fritz eine verführerische Schülerin, deren Verhältnis zu einem Junglehrer nicht ohne Folgen für alle Beteiligten bleibt. Zwischen Banalität und Pseudotiefsinn schwankte auch "Häschen in der Grube", wieder unter der Regie von Fritz.

Der wollte gerne ein deutscher Antonioni sein und drehte mit "Jet Generation" doch nur eine fade Aneinanderreihung modischer Allgemeinplätze vor der schicken Kulisse eines "swinging München". Eher ein Armutszeugnis stellte er sich auch mit "Mädchen ... nur mit Gewalt" (1969) aus. Völlig instinkt- und gefühllos gerät das Thema Gewalt gegen Frauen hier in die Niederungen kommerzieller Spekulation eines zynischen Reißers.

Ebenfalls gründlich mißlungen war Fritz' zwar optisch recht wirkungsvolle, aber gleichwohl verlogene Kolportage "Frankfurt Kaiserstraße", in der er das Frankfurter Bahnhofsviertel zum deutschen Chicago und den Streifen selbst erfolglos zum Problemfilm hochzustilisieren versuchte.

Helga Anders schauspielerisches Können entfaltete sich dagegen in Filmen wie "Tätowierung" (1967) von Johannes Schaaf. Obwohl auch hier die Erwachsenen zu Klischeefiguren geraten, ist der Film dennoch ein präzise gezeichnetes und psychologisch interessantes Zeitbild der späten sechziger Jahre. An Helga Anders' Seite in der Rolle des adoptierten 16jährigen, der nach mißlungener Integration in seine neue Umgebung den Fabrikanten-Stiefvater erschießt, ist Christof Wackernagel zu sehen, den es später zur terroristischen RAF zog.

Roger Fritz, heute ein renommierter Fotograf, interpretiert seine Filme aus den sechziger Jahren inzwischen als "Folge von Fotos". Im Hinblick auf das zu besichtigende Resultat kommt diese Definition der Wahrheit ziemlich nahe.

Die Ausstellung im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, ist noch bis zum 28. Mai täglich außer montags 10 bis 17 Uhr, Mi. bis 19 Uhr, So. 14 bis 19 Uhr, zu sehen. Tel.: 069 / 2 12-38 83 0


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen