© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/06 14. April 2006

Meldungen

Schwarze Listen für Israel-Kritiker

LONDON. Die US-Politikwissenschaftler gruppieren sich weltanschaulich nicht nach dem Links-Rechts-Schema. Politisch klassifizierend ist hier vielmehr die Haltung zu Israel. Macht man dies zum Kriterium, steht eine übermächtige pro-zionistische Fraktion einer kleinen, wenn auch publizistisch rührigen Sprengel von Israel-Kritikern gegenüber. Aus den Reihen dieser Minderheit stammt ein in der letzten Ausgabe der London Review of Books (Nr. 6 vom 23. März) veröffentlichtes, brisantes Papier über "The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy" von John J. Mearsheimer (Chicago) und Stephen M. Walt (Harvard). Es enthält keine neuen Fakten zur bedingungslosen Unterstützung der Bush-Administration für Israel, aber es bietet detaillierte, in Europa wenig bekannte Angaben zur Infiltration der "Think Tanks" und der akademischen Welt der Universitäten und Colleges. Daß passionierte Zionisten wie Martin Kramer und Daniel Pipes 2002 eine Internet-Seite unter dem sprechenden Titel "Campus Watch" einrichteten, um "verdächtige" Dozenten und Studenten auf dieser elektronischen "schwarzen Liste" denunzieren zu lassen, notieren Mearsheimer und Walt genauso akribisch wie die Anstrengungen der "Israel Lobby", indirekten Druck auf "mißliebige" Professoren auszuüben, angeblich "antisemitischen" Schulen die finanzielle Unterstützung streichen zu lassen oder mit eigenen, von Propaganda kaum zu unterscheidenden "Studien"-Programmen (von denen mehr als 130 bereits mit Stipendien locken) für Israel zu werben.

 

Jugendprobleme als Medienereignis

SEELZE. Die Schulprobleme der Weimarer Republik und die Pubertätskrisen der deutschen Jugend vor achtzig Jahren weichen zwar erheblich von den multikulturell induzierten Sorgen ab, die Pädagogen und Bildungspolitiker unserer Tage plagen. Zu diesem Resultat gelangt Thomas Lange in seiner Rekapitulation des 2004 unter dem Titel "Was nützt die Liebe in Gedanken" (JF 17/04) verfilmten "Steglitzer Schülermordprozesses" von 1928 (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 2/06). Und doch scheinen sich die Reaktionen der Öffentlichkeit auf "Jugendtragödien" zu ähneln. So wurde die tödliche Tragödie in Steglitz von Linken wie von Rechten als Ausdruck des "moralischen Verfalls" der Nachkriegsjugend der regierenden Sozialdemokratie angelastet, genau wie heute "fehlende Werte" die grassierende Asozialität und die "ethnisch differenzierte Jugend- und Drogenkriminalität" unter Schülern "erklären" sollen. Wie die Verfilmung 2004 gezeigt habe, die eine politisch-soziale Einordnung gänzlich vermissen lasse, scheine man heute wie damals eher dem bequemen Hang zu folgen, die gesellschaftskritische Analyse von Jugendsorgen auszuklammern, um sie statt dessen als "Medienereignis" zu vermarkten und zu moralisierender Überhebung zu nutzen.

 

Frauen leben erstmals weltweit länger

SHEFFIELD. Erstmals in der Geschichte der Menschheit haben Frauen im Jahr 2006 in allen Ländern weltweit eine höhere Lebenserwartung als Männer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung der Universität Sheffield von Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO und des "World Factbooks" des US-Geheimdienstes CIA (British Medical Journal, Bd. 332). Die geringere Zahl von Todesfällen bei Schwangerschaften und Geburten hat diese längere Lebenserwartung erstmals in allen Entwicklungsländern bewirkt.

 

Erste Sätze

Wer über die Zeit spricht, ist auf Metaphern angewiesen.

Reinhart Koselleck:

Zeitschichten.

Studien zur Historik,

Frankfurt am Main 2000


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