© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/06 14. April 2006

Rebellion und Provokation
Leipzig: "Rock!"-Ausstellung
Ekkehard Schultz

Der Bedeutung der Rockmusik für die Entwicklung der Jugendkulturen widmet sich die Ausstellung "Rock! - Jugend und Musik in Deutschland" des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig. Darin wird dem Besucher nicht nur ein historischer Querschnitt durch fünf Jahrzehnte Rock-Kultur mit all ihren Höhepunkten geboten, sondern vor allem auch deren Auswirkungen auf das familiäre und gesellschaftliche Klima in beiden deutschen Teilstaaten näher beleuchtet.

Von Anfang an war ein wesentliches Element der Rockgeschichte, daß es ihren Anhängern um mehr als nur Musik ging: Vielmehr war es der Protest gegen die Erwachsenenkultur, der dem Rock rasch zu großer Popularität verhalf. So wäre der Siegeszug von Bill Haleys "Rock around the clock" kaum möglich gewesen ohne dessen Verwendung im Hollywoodstreifen "Blackboard Jungle", der sich mit rebellischen amerikanischen Jugendgruppen auseinandersetzte. Ende 1955 wurde der Film in westdeutschen Kinos unter dem Titel "Saat der Gewalt" gezeigt.

Jugendliche hatten nunmehr ein Element entdeckt, mit dem sie sich in gezielten Widerspruch zu den damaligen traditionellen gesellschaftlichen Normen stellen und damit ihre Eltern herausfordern konnten, welche mit dieser "Urwaldmusik" nichts anzufangen wußten. Es war folglich in erster Linie ein Aufstand gegen eine von großen Teilen der damaligen Jugend als "verklemmt" und "verspießert" erachtete Erwachsenenwelt.

War die Rockszene bis Ende der sechziger Jahre eindeutig angloamerikanisch geprägt und dominiert, so fanden seit Mitte der siebziger Jahre zunehmend auch deutsche Bands und Texte ein interessiertes Publikum. Zudem begann sich die jugendliche Musikszene aufzuspalten. So entstanden zum Beispiel die Subszenen der Punks und Hardrocker, die sich innerhalb kürzester Zeit wiederum spalteten und ein mittlerweile für Außenstehende nahezu undurchsichtiges Wirrwahr gebildet haben. Auch bei diesen Entwicklungen spielte die Abgrenzung zum Geschmack der mittlerweile bereits in die Jahre gekommenen Vorgänger erneut eine wichtige Rolle. Auch die Rockmusik der eigenen Eltern wurde nun von Jugendlichen bereits als "spießig" und "überholt" wahrgenommen.

Eine Richtung, die sich seit gut einem Jahrzehnt besonderer Aufmerksamkeit von Jugendforschern und Verfassungsschützern erfreut, ist der "Rechtsrock". Auch diese Musik versucht an den alten Geist der Provokation und Rebellion anzuknüpfen. Indes zeigt die gesamte Geschichte der Rockmusik, daß Versuche gezielter Politisierung größerer Teile der Jugend durch Musik immer wieder fehlgeschlagen sind und letztlich nie ein Massenpublikum erreicht haben.

Generell scheint die Rockmusik nicht nur in Sachen Provokation ihren Zenit überschritten zu haben. Durch das vergleichsweise billige Herunterladen von Musiktiteln aus dem Internet und das Selbstbrennen von CDs sind die Umsätze aus dem Plattenverkauf zurückgegangen. Das Kreieren eigener Trends wird für die Medienkonzerne zunehmend unattraktiver, da die Risiken der Produktion damit erheblich größer werden und sich der CD-Umsatz bei kleineren Zielgruppen kaum noch rentiert. Als Alternative bleibt den Musikproduzenten die Vermarktung von Konzerten als Events, die billige Neuauflage von Evergreens und die Wiederbelebung alter musikalischer Zugpferde.

Die Ausstellung ist noch bis zum 17. April im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, Grimmaische Str. 6, täglich außer montags 9 bis 18 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr, zu sehen. Der reich bebilderte Katalog mit 176 Seiten kostet 19,90 Euro


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