© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/06 07. April 2006

Frisch gepresst

Deutsche Schulen. Der Hilfeschrei des Lehrerkollegiums an der Berliner Rütli-Schule, der primär auf die "Sackgasse" hinwies, in der ihre Bildungseinrichtung als letztinstanzliches Werkzeug einer Integrationspolitik versage, wird aus dem Lager der Multikulti-Apologeten reflexhaft im dreigliedrigen Schulsystem, besonders im Institut Hauptschule, problematisiert. Dabei ließe die Lektüre von Peter J. Brenners "Zwischenzeugnis" andere Aufschlüsse zu. Der Kölner Philosoph klagt nämlich gerade die "in die Klassenzimmer hinein verlängerte Migrationspolitik" an, bei der "eine verfehlte Politik die Voraussetzungen für eine vernünftige Pädagogik" zerstöre. Sowohl das Heer deutscher Soziologen als auch die großen Parteien hätten bislang davor die Augen verschlossen. So dürften auch alle aktuellen Reformmaßnahmen - vom "offenen Unterricht" bis zur "Ganztagsschule" und zur "selbständigen Schule" - in dieser grundsätzlichen Debatte wenig hilfreich sein. Das Faktum der Parallelgesellschaften könne keine Bildungspolitik allein auflösen (Schule in Deutschland. Ein Zwischenzeugnis. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2006, 219 Seiten, broschiert, 22 Euro).

Badisches Soldatentum. Zünftige Historiker seufzen gewiß verzweifelt auf, wenn sie das Titelblatt von Joachim Kannichts "Napoleon - Kriege - Revolution" ins Auge fassen. Im Untertitel heißt es dort nämlich erläuternd: "Aus dem Leben des badischen Obristen Georg Sartori 1784-1858" (Helios Verlag, Aachen 2006, 285 Seiten, Abbildungen, gebunden, 25,80 Euro). Also ist nach zünftigen Maßstäben Kannicht der Herausgeber, nicht, wie es auf dem Schutzumschlag heißt, der "Autor". Tatsächlich hat Kannicht, Jahrgang 1918, bis 1945 Berufsoffizier in der Wehrmacht, Publizist und im Ruhestand Schriftleiter von Alte Kameraden, ein noch heute in Familienbesitz befindliches Tagebuch Sartoris ediert. Kannicht kürzt dabei den Text und verbindet Sartoris farbige Schilderungen mit zahlreichen zusammenfassenden Inhaltsreferaten, bei dem der einheitliche Erzählfluß allerdings Schaden nimmt. Gleichwohl dürfte dieses kulturhistorisch wertvolle Zeitzeugnis auf Interesse stoßen. Es entrollt das Panorama des bewegten Lebens eines deutschen Offiziers, der für Napoleon gegen Preußen und Österreich ins Feld zieht, vier Jahre in Spanien kämpft und sich 1848 noch den demokratischen "Umstürzlern" in seiner badischen Heimat entgegenstemmt.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen