© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/06 07. April 2006

Der Reiz der Ferne
Brüssel macht's möglich: Spesen für Manager, Aufträge für indische Unternehmerinnen, Hartz IV für deutsches Humankapital
Paul Rosen

Wollten Sie schon immer mal nach Hyderabad? Das liegt in Indien und soll eine mächtige Metropole sein. Klar, man könnte ins Reisebüro und buchen. Aber ein paar tausend Euro kostet der Trip schon. Allerdings nicht, wenn man über gute Kontakte zu europäischen Institutionen verfügt. Die mit deutschen Steuergeldern gut ausgestattete EU wirft mit dem Geld nur so um sich, wie sich an einem kleinen Fall veranschaulichen läßt.

Für eine dreitägige Reise, die deutschen Managern der Textil- und Nahrungsmittel-Branche angeboten wird, verlangt der Verein "Global Projekt Partners", der im Haus der deutschen Wirtschaft in Berlin residiert, einen Kostenbeitrag von lediglich 350 Euro. "Die Delegationsreise findet im Rahmen des von der EU geförderten EINWE-Projetks (EU-India Network of Women Entrepreneurs) statt", heißt es in der Einladung. Ziel ist die Intensivierung der deutsch-indischen Wirtschaftskontakte, in diesem Fall mit indischen Unternehmerinnen.

Zwar ist das Hotel in Indien selbst zu zahlen, doch großzügig gibt die EU ein Tagegeld, das in diesem Fall pro Teilnehmer und Tag bei 180 Euro liegt. Manch ein Manager kommt dann noch mit ein paar Euro mehr nach Hause, als er losgefahren ist. Denn die Hotelkosten werden mit 100 Dollar pro Nacht angegeben. Unterstellt man, die Reise würde tatsächlich Erfolge bringen und zu Geschäftsabschlüssen führen, wäre die Bilanz klar. Die deutschen Unternehmer, deren Vertreter sich auf EU-Kosten nach Indien fliegen lassen, werden wohl kaum deutsche Textilprodukte auf dem Subkontinent zu verkaufen haben. Im Gegenteil: Es dürfte zum Einkauf von günstig produzierten indischen Waren (zum Beispiel Textilien) kommen, die hier zu Dumping-Preisen verkauft werden und damit wieder zur Gefährdung deutscher Produktionsstätten beitragen. So funktioniert Arbeitsplatz-Export mit EU-Unterstützung.


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