© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/06 31. März 2006

Meldungen

Die fragile ist die beste aller möglichen Welten

MÜNCHEN. Als windigen Opportunisten des Zeitgeistes begrüßte Patrick Bahners den Berliner Historiker Paul Nolte am Tage seiner Antrittsvorlesung (FAZ, 8. Februar 2006). Der Hieb galt mehr dem Daueranpasser seit Studienzeiten und medial omnipräsenten Verwurster "modischer" Themen. Hans-Christof Kraus vertieft jetzt die Kritik durch eine Musterung der Habilitationsschrift des akademischen Senkrechtstarters, der ausgerechnet auf den Lehrstuhl Ernst Noltes berufen wurde (Zeitschrift für Politik, 1/06). Paul Noltes Versuch über "Die Ordnung der deutschen Gesellschaft" (München 2000) sei, so Kraus, nicht etwa eine Gesellschaftsgeschichte im Stile seines Lehrers Hans-Ulrich Wehler, sondern eine Kompilation von sozialwissenschaftlichen Gesellschaftstheorien seit Ausgang des 19. Jahrhunderts. Aufgehängt werde die sich aus großzügigen Anleihen bei Ralf Dahrendorfs Klassiker "Gesellschaft und Demokratie in Deutschland" (1965) speisende Arbeit an der These, daß die Sozialtheoretiker von Treitschke bis Schelsky von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gelernt hätten, Distanz zur "Utopie einer klassenlosen Ordnung" zu gewinnen. Ob die fortdauernde Ablehnung "quasi-religiöser sozialer Einheitsentwürfe" aber bereits das von Nolte Status-quo-selig gefeierte demokratische Ende der Geschichte bedeute, müsse mit Blick auf die Folgen der Globalisierung und auf den sinkenden Lebensstandard, die neue "Anfälligkeiten" für "einfache Lösungen" erzeugen könnten, erst noch abgewartet werden.

 

In jeder Verfassung steckt die Oligarchie

HEIDELBERG. Wer einmal bei den Spänen war, die Männer "hobelten", während sie Geschichte machten, ist geneigt, die Vergangenheit durch die Brille der "Opfer" zu betrachten. Diesen Effekt hatte das Erlebnis des Zweiten Weltkrieg wenigstens auf den Althistoriker Hermann Strasburger, der nach 1945 den "großen Mann Caesar" nur noch in der Optik seiner politischen Gegner als "negative Größe" wahrnehmen wollte. Der Frankurter Althistoriker Klaus Bringmann nimmt Strasburgers Perspektivenwechsel zum Anlaß, um ein Schlaglicht auf die durch unterschiedliche Wissenschaftskulturen bedingte Caesar-Deutung zwischen 1918 und 1955 zu werfen (Gymnasium. Zeitschrift für Kultur der Antike und Humanistische Bildung, 1/2006). Kontrastfiguren sind dabei Strasburgers Lehrer Matthias Gelzer und der Oxforder Althistoriker Ronald Syme. Gelzer stehe mit "seinem" Caesar ganz in der deutschen, auf Hegel zurückgehenden Tradition, die dem römischen Imperator als "Geschäftsführer des Weltgeistes", jedenfalls aber als geschichtsmächtigem "starken Mann" huldigt. Die "Macht" werde dabei nie vom Standpunkt der "Moral" in Frage gestellt. In Symes Klassiker über "Die römische Revolution" (1939) seien die "großen Männer" wie Caesar und Augustus hingegen nahezu Randgestalten. Denn Symes Analyse der römischen "Machtkämpfe" ziele auf "das wirklich Reale und Greifbare": die gesellschaftlich-politische Elite. Und da hinter jeder Verfassung "die Oligarchie lauert", wende Syme seinen Blick von den großen Männern ab hin zum historisch einzig relevanten, dem Austausch der Führungsschicht, geschildert aus der "Perspektive der Verlierer".

 

Erste Sätze

Der große Krieg von 1914 ist nicht, wie das deutsche Volk damals glaubte, durch einen "Überfall" seiner Gegner auf die friedliche Mitte Europas entstanden.

Gerhard Ritter:

Staatskunst und Kriegshandwerk. Dritter Band: Die Tragödie der Staatskunst. Bethmann Hollweg als Kriegskanzler (1914-1917), München 1964


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