© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/06 31. März 2006

Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir
Pressefreiheit: Die Chemnitzer Schülerzeitung "Blaue Narzisse" läßt sich von linksextremistischen Gewaltaufrufen nicht einschüchtern
Werner Olles

Im September 2004 startete die Schülerzeitung Blaue Narzisse mit einer Auflage von 300 Exemplaren an Chemnitzer Gymnasien. Von Anfang an verstand sie sich als "dezidiert kulturelle und freigeistige Zeitung", die Schülern die Möglichkeit bietet, ihre eigenen Artikel, Essays, Prosa, Lyrik, Rezensionen und Fotografien zu veröffentlichen. Informationen über Probleme an der Schule, über Chemnitz und das kulturelle Leben sollen so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das Projekt entwickelte sich erfolgversprechend, und zahlreiche Schüler aus mehreren Gymnasien beteiligen sich inzwischen an der Gestaltung der Zeitung.

Im Januar dieses Jahres erschien die fünfte Ausgabe der Blauen Narzisse (siehe Zeitschriftenkritik auf dieser Seite). Außerdem gibt es nun als Erweiterung des Angebots ein Online-Magazin, das schnell auf regen Zuspruch stieß. Die Internetausgabe möchte Schülern und Studenten erste Erfahrungen im Online-Journalismus vermitteln.

Gleichzeitig hat die Zeitung jedoch auch mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. So haben die Rektoren des Kepler-, des Goethe-, des Einsiedel- und des Agricola-Gymnasiums nach alter DDR-Manier den Verkauf an ihren Schulen untersagt. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und auf Pressefreiheit wird hier mittels Zensur und Maulkorb ad absurdum geführt. In den Mitgliedern eines dubiosen "Projekt P" fanden die beamteten Zensoren zudem sogleich ein paar Hilfswillige, die am Kepler-Gymnasium anonyme Flugblätter verteilten, in denen behauptet wurde, die Blaue Narzisse sei finanziert von NPD bzw. Republikanern und einer ihrer Autoren fungiere als Kontaktmann zur NPD.

Im Gegenzug erinnerte die Zeitung den Rektor des Kepler-Gymnasiums an seine Fürsorgepflicht und fordert ihn und die Rektoren aller Chemnitzer Gymnasien auf, anonyme Diffamierung durch verleumderische Flugblätter auf dem Schulgelände nicht zu dulden. Die Chemnitzer Gymnasiasten wurden aufgerufen, den anonymen Lügnern des sogenannten "Projekt P" nicht zu glauben und sich statt dessen selbst ein Bild zu machen. Als parteiunabhängiges Projekt finanziere sich die Blaue Narzisse durch Abonnements, Anzeigen und den freien Verkauf.

Am 17. März gingen die Redakteure und Mitarbeiter noch einen entscheidenden Schritt weiter. Als Reaktion auf die Lügen und Verleumdungen der letzten Wochen und Monate gegenüber ihrer Zeitschrift startete man nun mit dem Aufruf "Pressefreiheit für die Blaue Narzisse" eine großangelegte Flugblattaktion an den Chemnitzer Schulen. Gleichzeitig wurden der Chemnitzer Oberbürgermeister Peter Seifert (SPD) und die Kommunalpolitiker und Stadträte aufgefordert, sich für die Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit an den Chemnitzer Gymnasien einzusetzen. Die Aktion war ein voller Erfolg, es kam zu zahlreichen Kontaktgesprächen mit Schülern, und selbst im Unterricht wurde über das Flugblatt diskutiert.

Die Reaktion der extremen Linken ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Noch am gleichen Tag zog die "Antifaschistische Aktion" - die wahrscheinlich auch hinter dem ominösen "Projekt P" steckt - am Chemnitzer Andre-Gymnasium mit einem Flugblatt mit dem Titel "Burschen schlachten!" nach. Der Blauen Narzisse wurde eine personelle Deckungsgleichheit mit der Pennalen Burschenschaft Theodor Körner unterstellt.

Tatsächlich sind einige Autoren der Zeitschrift auch Mitglieder dieser Burschenschaft, jedoch bei weitem nicht alle. So betonen die Redakteure, daß sowohl die Print- als auch die Internetausgabe der Blauen Narzisse völlig unabhängig von politischen oder anderen gesellschaftlichen Organisationen sind. Im Mittelpunkt ihrer journalistischen Tätigkeit steht daher auch "Kulturarbeit" im weitesten Sinne.

Ganz abgesehen davon, daß die Linksextremisten der "Antifaschistischen Aktion" offenbar nicht den Schimmer einer Ahnung von den freiheitlichen Traditionen pennaler und akademischer Burschenschaften haben, ist der Aufruf "Burschen schlachten!" eine nicht hinnehmbare Aufforderung zur Gewaltanwendung gegen andersdenkende Mitschüler und politische Gegner, die nicht nur von den Schulleitungen sanktioniert, sondern auch juristisch geahndet werden muß.

Unabhängige Zeitungen auch in anderen Städten

Nach Ansicht der Blauen Narzisse zeigt dieser offene Gewaltaufruf zudem das "ganze Ausmaß der Eskalation des Klimas an den Chemnitzer Gymnasien". Dennoch werde man sich von den Einschüchterungsversuchen und Gewaltaufrufen der "Antifaschistischen Aktion" nicht beeindrucken lassen und den begonnenen Kampf um Presse- und Meinungsfreiheit an Chemnitzer Gymnasien auf jeden Fall weiterführen. Darüber hinaus streben die Redakteure zum Schrecken der Linken an, das Format einer politisch unabhängigen kulturellen Schülerzeitung auch in anderen Städten durchzusetzen.

 

Weitere Informationen: blauenarzisse@gmx.de (E-Post); www.blauenarzisse.de (Internet).

Foto: Titelbild "Blaue Narzisse"


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