© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/06 24. März 2006

Meldungen

Verbindliche Werte verzweifelt gesucht

SANKT AUGUSTIN. Daß die französischen Unruhen im vergangenen November nur der Auftakt eines flächendeckend in europäischen Städten auszutragenden "Kampfes der Kulturen" gewesen sind, scheint binnen weniger Monate für die diskutierende Klasse zur eisernen Ration ihrer sozialwissenschaftlichen Gemeinplätze zu zählen. Man rechnet offenbar mit dem Schlimmsten, denn anders ist die inflationäre Fülle von Veröffentlichungen zum Problem von "Identität und Integration" nicht zu verstehen. Die politische Meinung (Heft 02-06), Organ der Konrad-Adenauer-Stiftung, bietet gar den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) und den ehemaligen sächsischen Wissenschaftsminister Matthias Rößler (CDU) auf, um die politologische Erörterung über "Verfassungspatriotismus" und "Leitkultur" mit der Beschwörung der "Notwendigkeit gemeinsamer Orientierungen" zu garnieren. Gerade Lammerts Beitrag offenbart dabei immer noch immer eine Anhänglichkeit an alte Illusionen der sich gern "weltoffen" gerierenden Christdemokraten. Denn die multikulturelle Realität möchte er nicht missen, glaubt aber, ihr "verbindliche Werte und Überzeugungen" implementieren zu können. Daß "Schuldbewußtsein" nicht länger dazu gehören und zum "alleinigen Fundament der Staatsräson" gemacht werden könne, gibt Rößler immerhin zu bedenken. Nicht mehr als multikulturelles, sondern nur als "multinationales" Gemeinwesen ohne "Parallelgesellschaften", in dem die "Zuwanderer" auf die "freiheitlich-demokratische Grundordnung" zu verpflichten seien, sei Deutschland vorstellbar.

 

Kleine Unterschiede in den Hirnregionen

HEIDELBERG. Die flotte Behauptung, daß das weibliche Gehirn sich weniger für naturwissenschaftliche Forschung eigne, paßte zu dem burschikosen Führungsstil von Lawrence Summers als Präsident der Harvard-Universität. Zugleich trug sie dazu bei, daß Summers, der im Januar zurücktrat, auf die kürzeste Amtszeit seit 1861 zurückblicken darf. Da hilft es ihm auch nicht, wenn Larry Cahill, Neurobiologe an der Universität von Irvine (Kalifornien), nun für ein breites Publikum die geschlechtsbedingten Unterschiede in Bau und Funktion des Gehirns veranschaulicht (Spektrum der Wissenschaft, 3/06). Tatsächlich konnte Cahills Forschergruppe aber erst nachweisen, daß das Einspeichern und Erinnern emotionaler Ereignisse bei Männern und Frauen aufgrund anatomischer Differenzen in bestimmten Hirnregionen unterschiedlich abläuft. Damit bieten sich auch Erklärungsmodelle für das Phänomen, daß Frauen eher zu Depressionen neigen. Hingegen sind die US-Neurowissenschaftler "noch weit davon entfernt", aus Unterschieden in Bau und Funktionsweise der Gehirns kognitive Fähigkeiten oder geschlechtsspezifische intellektuelle Begabungen abzuleiten.

 

Erste Sätze

Die Opfer der Luftangriffe einer möglichst umfassenden autoptischen Untersuchung zu unterziehen, war für den pathologischen Anatomen das Gebot der Stunde.

Siegfried Gräff:

Tod im Luftangriff.

Hamburg 1948


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