© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/06 24. März 2006

Was die Tigerente mit dem Marquis de Sade verbindet
"Der Mensch ist eine Sau": Eine Ausstellung in Oldenburg zeigt einen großen Querschnitt durch Janoschs Schaffen aus fünf Jahrzehnten
Matthias Schultz

Janosch kennt jeder. Seine Bücher bevölkern die Kinderzimmer, die berühmte Tigerente und der kleine Bär sind bekannt wie bunte Hunde. Jetzt wurde der Schöpfer dieser farbenprächtigen Phantasiewelt 75 Jahre alt und im Oldenburger Schloß mit einer umfangreichen Schau gewürdigt. Natürlich trifft man hier die alten Freunde aus Kindheitstagen wieder, ein ganzer Zoo wimmelt da über das Papier, Frösche, Mäuse, Löwen, Elefanten. Eine Auswahl von über 200 Arbeiten illustriert das tüchtige Schaffen aus über fünf Jahrzehnten.

Dabei hatte Janosch am Anfang seiner Karriere alles andere als Glück und Erfolg, der sich erst am Ende der 1970er Jahre einstellen wollte. Denn Horst Eckert, wie Janosch mit bürgerlichem und von ihm gehaßten Namen heißt, wurde in ärmlichste Verhältnisse hineingeboren. Im heute in Polen liegenden Bergarbeiter-Örtchen Hindenburg lebte seine Familie zusammen mit elf anderen in einem Haus, immer fünf bis zwölf Menschen auf gerade einmal 25 Quadratmetern Fläche zusammengepfercht. Keine Elektrizität, kein fließendes Wasser, Armut, Streit, Gewalt und Haß prägten seine Kindheit: ein Trauma, das er bis heute nicht loswurde, ihn zu einem wahren Misanthropen machte, sein Lebensmotto "Der Mensch ist eine Sau" bestimmte.

Janosch hat, wie sein Künstlername schon vermuten läßt, mindestens zwei Gesichter. Auch in seinem Werk. Da ist einmal die schöne Welt der kleinen, lustigen und oftmals aufmüpfigen Tierchen, die sich die Herzen von Kindern und ihren Eltern erobert haben und mit denen Janosch sozusagen seine eigene, mißlungene Kindheit nachholt. Und dann die Abrechnung mit der eigenen Vergangenheit, aber auch mit der gesamten Menschheit. In Romanen und Theaterstücken schildert er den hautnah miterlebten Kampf jedes gegen jeden. Besonders gegen die Katholische Kirche hat er eine ausgeprägte Aversion entwickelt, zwang man ihn doch im tiefgläubigen Schlesien mit dem Argument eines allgegenwärtigen Gottes jahrzehntelang zu Bußeritualen, Demut und Gehorsam.

Heute bezeichnet Janosch sich selber als Anarchisten, dem die Freiheit über alles geht, und Realisten, was seine negativen Erwartungen an die Menschheit betrifft. Das spiegelt sich auch in der Ausprägung der Charaktere seiner Kinderbücher wider, die keine Autorität anerkennen wollen.

In seinen Bildgeschichten wie "Kirche und Sex" hingegen läßt er Popen mit riesigen Kreuzen auf Menschen eindreschen, ihre Hände auf dem Altar festnageln, eine lasziv sich räkelnde, nackte Teufelin nach einem Phallus greifen, der sich ihr aus den Wolken entgegenreckt. Aber Gott schwebt auch mit segnender Hand über einem Pärchen, das sich auf dem Bett nach dem Akt ausruht, während Jesus als Ikone von der Wand lächelt. Überhaupt ist die Frau für Janosch ein ewiges, aber lange Zeit eben auch unerreichbares Mysterium geblieben. Deshalb wollte er eigentlich auch, trotz seiner mangelhaften Bildung, zuerst Schriftsteller werden, weil die nämlich in der Münchner Boheme das beste Ansehen bei den Damen hatten. Dort lernte er bei Zechen übrigens auch seinen ersten Verleger Georg Lentz kennen, der ihm dann den Tip gab, es besser mit dem Zeichnen zu versuchen.

Auf einigen von Janoschs Arbeiten wird die Frau förmlich angehimmelt, wie bei Marc Chagall schwebt der Mann in Anzug und mit Hut regelrecht poetisch fiedelnd um sie herum. Oder seine Paare träumen auf dem Rücken eines Bären, das feuerrote Haar der Frau aber auch hier, wie beim ebenfalls beziehungsunfähigen Edvard Munch, unterschwellig Gefahr verheißend.

Recht deftig dann seine Adaptionen zu Werken vom Suff- und Strichpoeten Charles Bukowski. Das Leben des dirty old man illustriert Janosch genüßlich, wenn er ein verlottertes, versoffenes Männchen mehr betäubt denn selig schlummernd in den Armen einer üppigen, schwarzen Dirne zeichnet. Oder seine Phantasien zum berühmten Gewalt- und Sexmissionar Marquis de Sade. Auf den kolorierten Radierungen inspizieren Rokokogestalten mit turmhohen Frisuren ausgiebig den Körper einer Schönen, Pagen, Zofen, alles wuselt wild und ineinander verschlungen durcheinander - üppig mit seinen Lieblingsfarben Rosa, Gelb, Gold und Silber dekoriert und zum Leuchten gebracht.

Doch kann all der Glanz seiner Bilder, all das Geld, das er - und vor allem und von ihm immer heftiger kritisiert, seine Verleger - mit der wirkungsvollen Vermarktung seiner Ideen verdienen, ihn nicht mehr glücklich machen. Janosch lebt heute zurückgezogen auf Teneriffa, gibt der von im verächtlich als "Journaille" bezeichneten Presse keine Interviews, und wenn, dann höchstens sich selbst als Fragesteller.

Die Janosch-Ausstellung ist bis zum 2. April im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg im Schloß täglich außer montags von 9 bis 17 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr, Do. bis 20 Uhr, zu sehen. Tel: 04 41 / 2 20 73 00

Foto: Janosch, "Das Panama-Album"


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