© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/06 24. März 2006

Gefährliche Gemütlichkeit
Gesundheit: Eine Studie des Umweltbundesamtes warnt vor bedenklichen Feinstaubbelastungen durch Kamine und Holzöfen
Michael Howanietz

Die von einem Holz- oder Kaminofen ausgehende Wohnzimmer-Behaglichkeit birgt ungeahnte Gesundheitsrisiken. Zu diesem Schluß kommt eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA). Die Klimafreundlichkeit von Holzfeuerstellen steht im Prinzip außer Frage, da bei der Verbrennung von Holz nur jene Menge an Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wird, die während des Wachstums der Pflanze im Holz gebunden wurde (JF 46/05). Die vermutete Unbedenklichkeit der Holzverbrennung für unsere Gesundheit allerdings entpuppt sich als Trugschluß.

Mehr Feinstaub-Emissionen als durch den Straßenverkehr

Seit dem Jahr 2003 übersteigen die von kleinen Holzfeuerungen in Haushalten und Gewerbebetrieben verursachten Feinstaub-Emissionen (2003: 24 Kilotonnen) die von der Verbrennung im Straßenverkehr verursachten (2003: 22,7 Kilotonnen). Und die Tendenz ist weiter steigend, da erhöhte Gas- und Ölpreise auch die Nachfrage nach billigeren Alternativen forcieren. So wurden in Deutschland 2005 etwa 100.000 Holzfeuerungen verkauft.

Hauptverursacher der gemeinhin als "Hausbrand" bezeichneten Luftverschmutzung sind allerdings Einzelraumfeuerungen älteren Baujahrs. Moderne Holzfeuerungsanlagen weisen dank ausgeklügelter Verbrennungstechnik einen sehr viel geringeren Schadstoffausstoß auf, wie der Fachverband für Heiz- und Kochgeräte bestätigt.

Das UBA fordert daher, daß kleine Holzfeuerungsanlagen generell "sauberer werden müssen", um die notwendige "drastische Reduktion" des Feinstaub-Ausstoßes zu erreichen. Der Ansatzpunkt zur Inkraftsetzung strengerer Auflagen könnte die von der Bundesregierung geplante Novellierung der 1. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz sein.

Hierbei sei zu berücksichtigen, daß Gas- und Ölfeuerungen sehr viel weniger Feinstaub produzieren als Kamine, Kamin- und Kachelöfen. Auf dem Markt verfügbar sind aber auch Holzfeuerungsanlagen, die verhältnismäßig geringe Feinstaub-Emissionen verursachen. Zu ihnen zählen mit Holzpellets (kleinen Holzpreßlingen) betriebene Feuerungen. Besonders emissionsarme Pellet-Öfen und Heizkessel sollten das Umweltzeichen "Blauer Engel" (mehr im Internet unter www.blauer-engel.de) tragen, rät das UBA.

Des weiteren müsse die Beratung des Holzofen-Betreibers verbessert werden. Denn wieviel Feinstaub tatsächlich ausgestoßen wird, hängt nicht nur von Art und Alter der verwendeten Anlage ab. Die Art der Befeuerung, der Wartungszustand der Anlage sowie Sortenauswahl und Qualität des Holzes sind von entscheidender Bedeutung.

So wird empfohlen, nur sorgfältig getrocknetes, dünn gespaltenes Holz zu verwenden, für eine hohe Luftzufuhr und einen funktionierenden Abzug zu sorgen und beim Anheizen möglichst rasch hohe Temperaturen zu erreichen. Grundsätzlich weisen geschlossene Feuerungen einen höheren Wirkungsgrad auf als offene Kamine, die ohnedies nicht zum Dauerheizen zugelassen sind. Über die Relevanz all dieser Kriterien wird der Käufer einer Einzelraumfeuerung künftig zu informieren sein.

Immerhin zeitigen die Auswirkungen der Feinstaubbelastung - ungeachtet deren Ursache - dramatische gesundheitliche Auswirkungen. Was mit Atemwegsreizungen und -erkrankungen beginnt, trägt nachweislich das Potential in sich, die Lebenserwartung beträchtlich zu verkürzen.

Über 90 Prozent weniger Partikel aus Dieselmotoren

Die hierfür verantwortlichen Luftschadstoffe werden unter dem Kürzel PM10 wie folgt definiert: "Partikel, die einen größenselektierenden Lufteinlaß passieren, der für einen aerodynamischen Durchmesser von zehn Mikrometer eine Ausscheidungswirksamkeit von 50 Prozent aufweist."

Einfacher als diese amtliche Umschreibung lungengängiger Aerosole sind die aus den hohen PM10-Emissionen abgeleiteten Forderungen des UBA zu verstehen:

l Die Leistungsgrenze für anspruchsvolle Emissionsgrenzwerte ist zu senken.

l Festzulegen sind Anforderungen an die Begrenzung des Schadstoffausstoßes für Einzelraumfeuerungen.

l Verschärfung der Emissionsgrenzwerte für Kohlenmonoxid (CO) und Staub.

l Bessere Beratung der Betreiber.

An diesen Forderungen werden sich auch die EU-Richtlinien zur Verbesserung der Luftqualität (Feinstaub-Richtlinie 1999/30/EG) orientieren werden müssen. In ihrem Maßnahmenkatalog sind zwar Strategien zur Minderung verkehrsbedingter Feinstaub-Verschmutzungen vorgesehen, die vom aktuellen UBA-Bericht aufgezeigte Problematik der Feinstaubbelastungen durch Kamine und Holzöfen wird aber kaum berücksichtigt.

Ein grobes Versäumnis, sank doch der Partikelausstoß aus Dieselmotoren seit 1990 um über 90 Prozent. Eine einäugige Betrachtung der Problemstellung auch deshalb, da langjährige Messungen zeigen, daß Grenzwertüberschreitungen besonders während der Wintermonate festzustellen sind: ein eindeutiger Hinweis auf den prominenten Anteil ungefiltert aus Hauskaminen entweichender Partikel an der Gesamtbelastung.

Das klassische Winteridyll, das für manchen in diesem Jahr auch ohne Atemwegsbeschwerden zum schneebeschwerten Alpdruck wurde, verliert somit weiter an Attraktivität. Der Behaglichkeit und wohlige Stubenwärme suggerierende Anblick in verschneite Märchenlandschaften Rauch entlassender Schornsteine hat auch eine zweite, weniger liebliche Seite.

Das UBA-Hintergrundpapier "Die Nebenwirkungen der Behaglichkeit: Feinstaub aus Kamin und Holzofen" findet sich im Internet: www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/hintergrund/holzfeuerung.pdf.


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