© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/06 24. März 2006

Afrikanische Spiele
Bundeswehr: Deutschland soll Führung bei Kongo-Einsatz übernehmen
Paul Rosen

Angela Merkel muß einen hohen Preis für die Verbesserung des von der rot-grünen Vorgängerkoalition erheblich gestörten Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten von Amerika bezahlen. Die CDU-Chefin und erste deutsche Kanzlerin hatte unmittelbar nach Amtsantritt durch eine Reise nach USA und durch ihre Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz einen Schwenk vollzogen. Statt wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder der Achse Paris-Berlin-Moskau den Vorzug vor transatlantischen Bindungen zu gehen, legte Merkel ein klares Bekenntnis zum westlichen Bündnis ab. Doch jetzt wird der Preis sichtbar, den die Deutschen zahlen müssen, um die Freundschaft mit Frankreich nicht abkühlen zu lassen: Deutsche Truppen müssen nach Afrika, um die Franzosen dort zu unterstützen und zu entlasten.

Frankreich hatte auch nach Aufgabe seiner Kolonien seine Interessen auf dem schwarzen Kontinent gewahrt. Ein Teil der ehemaligen Schutzgebiete ist bis heute durch eine gemeinsame Währung, die früher an den Franc gebunden war und heute an den Euro gebunden ist, besonders eng mit Paris verzahnt. Die einheimischen Eliten werden in Frankreich ausgebildet. Französische Fremdenlegionäre und Luftwaffen-Einheiten sind ständig in Afrika stationiert, zum Beispiel in Gabun in der Nähe des Kongo. Sie greifen regelmäßig in Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Clans ein.

Als Europa sich im Kalten Krieg befand, wurde dieser in afrikanischen Ländern sehr heiß ausgetragen (Angola, Mosambik, Südwestafrika). Der Untergang des Warschauer Pakts und die Unfähigkeit Rußlands, sich weiter in Afrika zu engagieren, haben zwei Entwicklungen nach sich gezogen. 1. Reihenweise brechen staatliche Strukturen zusammen, wie in Somalia und im Kongo gut zu beobachten ist. 2. Es ist ein Machtvakuum entstanden, in das die Franzosen nachdrängen wollen, aber es wegen mangelnder militärischer Kapazitäten nicht können. Es erscheint wie eine Ironie der Geschichte: Die Franzosen, die sich nach dem Ersten Weltkrieg Teile des wilhelminischen Kolonialreichs einverleibten, holen jetzt die Deutschen nach Afrika zurück.

In der Bundeswehr-Führung wird schon seit langem darauf hingewiesen, daß Frankreich Deutschland in Afrika stärker einbinden will. Schon zu Zeiten der Regierung Schröder wurde der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) nicht müde, von der Verantwortung Deutschlands für Afrika zu schwärmen. Daß Struck keine postkolonialen Interessen vertrat, war klar. Aber was den Minister antrieb, konnte niemand so genau sagen.

Inzwischen ist die Sache klarer geworden. Obwohl die Bundeswehr-Führung von einem Kongo-Einsatz dringend abgeraten hat, sind die politischen Weichen längst gestellt. Auf dem deutsch-französischen Regierungstreffen Mitte März in Berlin stellten beide Regierungen fest, daß die EU den Einsatz im Kongo durchführen soll. Zu diesem Zeitpunkt hatte Präsident Jacques Chirac die feste Zusage von Merkel, daß Deutschland mitmacht und sogar die Gesamtführung des Einsatzes übernimmt.

Es ist nicht leicht, die Zustimmung der deutschen Öffentlichkeit für einen Afrika-Feldzug zu bekommen. Historisch Interessierte wissen, wie umstritten die Kolonialpolitik zu Bismarcks Zeiten war. Also gilt es, den Einsatz unter das Motto höherer Werte zu stellen. So sollen im Kongo Wahlen und Demokratie gesichert werden. Das hört sich gut an, und gegen die Demokratie wird kaum jemand Stellung beziehen wollen.

Die Zahlen entlarven, daß hier nur weiße Salbe verstrichen wird. 1.500 europäische Soldaten, darunter 500 deutsche, können im Kongo, einem Land so groß wie Westeuropa, keine Wahlen sichern. Sie können aber in der Hauptstadt Kinshasa, auf die der europäische Einsatz beschränkt werden soll, den Flughafen und die Regierungszentrale kontrollieren. Damit kann die Regierung des Präsidenten Joseph Kabila in Schach und unter Kontrolle gehalten werden. Das ist der Sinn des Einsatzes, nichts anderes.

Chirac hat alles mit hoher diplomatischer Kunst eingefädelt. Die Anfrage der UN nach Unterstützung im Kongo geht auf französische Diplomaten in New York zurück. Auf EU-Ebene gab es ein Katz-und-Maus-Spiel mit den erst zögerlichen Deutschen. Schließlich setzte Paris Berlin so unter Druck, daß Verteidigungsminister Franz Josef Jung jetzt sogar Kampftruppen (Fallschirmjäger) in den Kongo schicken soll. Außerdem muß Jungs Einsatzführungskommando die Führung des Gesamteinsatzes übernehmen. Zudem darf der deutsche Verteidigungsminister noch die symbolischen Kontingente anderer europäischer Länder einsammeln, damit der Einsatz schön international aussieht.

Der Kongo-Einsatz soll auf vier Monate beschränkt werden. Aber schon jetzt ist klar, daß Deutschland auch danach noch in Afrika gefragt sein wird. Jung hat mit einer für Politiker seltenen Ehrlichkeit bereits zugegeben, daß es auch um wirtschaftliche Interessen geht. In gebührend deutscher Zurückhaltung nennt sich das Sicherung marktwirtschaftlichen Verhaltens in Afrika, wenn es um die Ausbeutung von Rohstoffen geht. Aber im Ergebnis heißt das: In Afrika werden die Claims abgesteckt, und die Deutschen sind dabei.

"Jetzt wird der Preis sichtbar, den die Deutschen zahlen müssen, um die Freundschaft mit Frankreich nicht abkühlen zu lassen: Deutsche Truppen müssen nach Afrika."


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