© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Viele Fragen bleiben unbeantwortet
Udo Ulfkotte sondiert die Macht der Geheimdienste: Ein wirkliches Enthüllungsbuch präsentiert "der Mann der heißen Eisen" diesmal aber nicht
Alexander Griesbach

Udo Ulfkotte, Journalist und Autor, der sich unter anderem auf "Sicherheitsfragen" spezialisiert hat und als Geheimdienstexperte gilt, hat sich in seinem neuesten Buch "Der Krieg im Dunkeln. Die wahre Macht der Geheimdienste" einmal wieder ein brisantes Thema vorgenommen.

Ulfkotte thematisiert insbesondere den britischen Inlands- (MI 5) und Auslandsgeheimdienst (MI 6), den israelischen Mossad, den US-Geheimdienst CIA, die französischen und russischen Geheimdienste (vor allem den SWR, vormals KGB) sowie den deutschen Bundesnachrichtendienst. Der Autor knüpft damit an vorangegangene Bücher wie "Verschlußsache BND" (1997) oder "Wirtschaftsspionage" (1999) an, die sich bereits direkt oder indirekt mit dem Thema Geheimdienste beschäftigten.

Daß Ulfkottes Recherchen "bestimmten Personenkreisen" durchaus an die Nerven gehen, zeigte sich unter anderem am 31. März 2004, als knapp vierzig Beamte der Frankfurter Polizei das Privathaus und die Geschäftsräume des rührigen Journalisten auf den Kopf stellten. Er stand unter dem Verdacht, Polizeibeamte "bestochen" und "Beihilfe zum Geheimnisverrat" begangen zu haben. Dieser Verdacht mußte Mitte 2005 fallengelassen werden.

Diese Vorgänge haben Ulfkotte offensichtlich vorsichtiger werden lassen, enthält doch sein "Krieg im Dunkeln" bis auf wenige Passagen und einige interessante Details wenig, was nicht bereits auf die eine oder andere Weise bekannt geworden und mehr oder weniger oft thematisiert worden ist, seien dies nun die im Buch angesprochene Eichmann-Entführung, die Rolle der CIA beim Sturz Salvador Allendes oder die des KGB beim Untergang der "Estonia".

So wird man dieses Buch am ehesten wohl als eine Art Kompendium lesen dürfen, in dem sich vieles von dem findet, was in den letzten Jahrzehnten in diesem Metier den Weg in die Öffentlichkeit fand. Einigermaßen irritierend aber wirkt der Untertitel des Buches: "Die wahre Macht der Geheimdienste". Will Ulfkotte mit diesem Untertitel tatsächlich suggerieren, daß er in der Lage ist, diese Macht einzuschätzen? Zu vielen Vorgängen, dies liegt in der Natur der Sache, fehlt schlicht eine nachprüfbare Informationslage. Viele Fragen müssen deshalb offenbleiben.

Manch einen, wie dem ehemaligen Bundesminister Andreas von Bülow, der 1998 ein Buch ("Im Namen des Staates") über die "kriminellen Machenschaften von CIA und BND" publizierte, haben Spekulationen, die leicht in Verschwörungstheorien umschlagen können, die Reputation gekostet. Dennoch hat von Bülow in seinem Buch viele Vorgänge aus dem Dunkel des Geheimdienstmetiers ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Daß Ulfkotte dessen Buch noch nicht einmal in den Literaturapparat aufgenommenhat, muß deshalb verwundern. Ein anderer "umstrittener" Autor, nämlich der Ex-Mossad-Mitarbeiter Victor Ostrovsky, findet sich hingegen in den Literaturhinweisen wieder und wird von Ulfkotte auch kurz im Buch angesprochen.

Mag die Mißachtung von Bülow gegenüber noch nachvollziehbar sein, weil dieser zum Beispiel aufgrund seiner Verschwörungstheorien zum 11. September 2001 vielen als nicht mehr "zitabel" gilt, kann sie im Fall des Ex-Mossad-Manns Ari Ben-Menashe, der in seinem Buch "The Profits of War" (New York, 1992) viele wichtige Hinweise zur Iran-Contra-Affäre und zur Arbeitsweise des Mossad geliefert hat, nicht mehr als Argument herhalten. Dieses Buch gehört einfach zu denjenigen Quellen, die, wenn auch mit kritischer Distanz, zitiert oder angeführt gehörten.

Wie problematisch Informationen aus der Geheimdienstsphäre immer wieder sind, zeigt folgendes Detail zu den Krawallen in Frankreich Ende letzten Jahres. Ulfkotte schreibt in diesem Zusammenhang: "Während Medien die vom Mossad lancierte Geschichte von einer spontanen Erhebung sozial schwacher Einwanderer aus den Vorstädten in der Öffentlichkeit verbreiteten, beobachtete man in westlichen Geheimdienstkreisen schon seit langem die Bemühungen des Mossad, in Frankreich, das seit Jahrzehnten proarabisch ausgerichtet ist, eine antiarabische und antimuslimische Stimmung zu schüren." Ulfkotte berichtet, daß man, so die Informationen von Geheimdienstmitarbeitern, in einigen französischen Städten auf israelische agents provocateurs gestoßen sei. Israel verfolge hiermit das Ziel, "Muslime in der öffentlichen Meinung als unberechenbare Bedrohung erscheinen zu lassen, die nicht integrationsfähig ist". Außer dem lapidaren Hinweis auf "westliche Geheimdienstkreise" hat Ulfkotte nichts Nachprüfbares anzubieten.

Weiterführende Fußnoten hielt er generell, aus welchen Gründen auch immer, für nicht nötig. So bleibt dem Leser hier und an anderen Stellen nur, den Ausführungen Ulfkottes gläubig zu folgen. Daß diese Ausführungen nicht immer ganz nachvollziehbar sind, zeigt - um beim Mossad zu bleiben - folgende Einschätzung Ulfkottes: So stellt er mit Blick auf fragwürdige Aktionen des Mossad die Frage, was das für ein Geheimdienst sei, "der den Ruf seines Landes derart lädiert, daß die Regierenden ihn im nachhinein auf diplomatischem Wege wieder reparieren müssen?" Zwei Seiten später meint er, daß der Mossad mittlerweile zu einem "normalen Geheimdienst" geworden sei. Gehört die "Lädierung des Rufs eines Landes" zu den Kennzeichen eines "normalen Geheimdienstes"? Wohl kaum.

Nicht auf der Höhe der Diskussion zeigt sich Ulfkotte, wenn er mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der CIA davon spricht, daß der japanische Angriff auf Pearl Harbor "die Amerikaner nahezu unvorbereitet" getroffen und in der Folge mit zur Gründung der CIA geführt habe. Nun war die Regierung Roosevelt im Dezember 1941 vieles, aber mit Sicherheit nicht "unvorbereitet" oder überrascht, wie inzwischen eine Reihe von Untersuchungen nachgewiesen haben. Es muß also noch eine Reihe weiterer Gründe gegeben haben, die schließlich zur Gründung der CIA führten.

Leider fehlt auch eine zumindest ansatzweise Beschäftigung mit bisher ungeklärten, spektakulären Mordfällen in der Bundesrepublik, bei denen ein Geheimdiensthintergrund immer wieder vermutet werden. Hier sind vor allem die Morde an Heinz-Herbert Karry, Alfred Herrhausen und Detlev Carsten Rohwedder zu nennen. Und auch der Fall Uwe Barschel, von Ulfkotte in "Verschlußsache BND" immerhin kurz angesprochen, dürfte in diesem Zusammenhang eigentlich nicht fehlen. Ein Phänomen bleibt, daß Barschel trotz aller inzwischen bekannter Details in den Medien immer noch als finsterer Intrigant gehandelt wird, während sein ehemaliger Konkurrent Björn Engholm bis heute im Licht des Gutmenschentums steht. Warum das so ist? Auch darüber kann wieder nur gemutmaßt werden. 

Udo Ulfkotte: Der Krieg im Dunkeln. Die wahre Macht der Geheimdienste. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2006, gebunden, 349 Seiten, 22,90 Euro


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