© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Verzweiflung
Mozart-Werke: Adagio h-moll für Klavier
Wiebke Dethlefs

Moll ist in seiner Verwendung als Grundtonart eines Werks bei Mozart im Verhältnis zu der Menge seiner Kompositionen nur untergeordnet anzutreffen. Dabei gilt g-moll als "persönliche", als besonders "schicksalhafte" Tonart. Dementsprechend sind Mozarts g-moll-Kompositionen (u.a. die "kleine" und die "große" g-moll-Symphonie, das erste Klavierquartett oder Paminas große Arie im 2. Akt der Zauberflöte) von ganz eigenem Charakter und lassen tief in Mozarts Seele blicken.

Nur ein einziges Mal verwendete der Komponist h-moll als Haupttonart, in einem Klavierstück von 1788 (KV 540). Die "schwarze", tragische Tonart, wie Beethoven sie nannte, war den Romantikern (Schubert!) die Tonart der lyrischen Melancholie. Es scheint, als wenn der Gebrauch von h-moll für Mozart eine emotionale Steigerung gegenüber dem ohnehin schon äußerst subjektiven g-moll darstellt. Denn in keinem anderen Werk des Meisters manifestiert sich eine derartige Verzweiflung wie in diesem knapp viertelstündigen Stück.

Noch im ersten Takt fährt eine unerwartete Dissonanz in das einfache Thema hinein. Zwar kehrt bald eine etwas gelöstere Dur-Stimmung ein, doch läßt die Fortspinnung des musikalischen Geschehens mit den ungewöhnlichen Modulationen bis ins grundtonart-ferne g-moll nur Unruhe aufkommen. Erst kurz vor dem Schluß wendet sich der Hauptgedanke nach H-Dur, was aber nicht als Erlösung wirkt, sondern bloße Ermattung ist. Eines in seiner Trostlosigkeit, in seiner Intensität der Klage ungewöhnlichsten Werke Mozarts - kaum hört man ihm seinen Schöpfer an - in weiten Teilen könnte es ebenso gut von Chopin stammen.


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