© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Grimassen für den guten Zweck
Lachen ist gesund: Die US-amerikanische Ulknudel Jerry Lewis wird achtzig
Michael Insel

Jerry Lewis ist ein Mann für alle Jahreszeiten, alle Menschen, alle Zeiten." So salbungsvoll nominierte der Kongreßabgeordnete Lee Aspin den Schauspieler 1977 für den Friedensnobelpreis. Das europäische Publikum schätzt ihn für seine aberwitzigen Kapriolen in einer Reihe populärer Spielfilme aus den 1950er und 1960er Jahren und als Urvater einer ganzen Blödeltradition, auf den sich hiesige Stand-up-Matadore bis heute gern berufen. In den USA zollt man darüber hinaus seinem Engagement für wohltätige Zwecke Achtung. Lewis, der am 16. März achtzig wird, ist Vorsitzender und seit vierzig Jahren öffentliches Aushängeschild der Muscular Dystrophy Association, für die er bislang Spenden in Höhe von zwei Milliarden Dollar eingetrieben hat - nicht schlecht für einen Mann, der seine Karriere mit sechzehn Jahren als Mime in einem Varietétheater in Buffalo begann.

Joseph Levitch ("Lewis" war der Bühnenname seines Vaters) wuchs in Newark, New Jersey, in einer Familie von Unterhaltungskünstlern auf. Mutter Rae arbeitete als Musikarrangeurin und Pianistin für den New Yorker Radiosender WOR, Vater Danny war für seine Vaudeville-Auftritte als der "Totalunterhalter" bekannt. Lewis behauptet, seine eigene Laufbahn habe damit begonnen, daß er von der Schule flog: Er habe einen Lehrer geschlagen, der eine antisemitische Bemerkung machte. Seine erste Nummer, die er den "Record Act" nannte, bestand darin, Play-Back zu zeitgenössischen Hits zu singen, die hinter der Bühne auf einem Plattenspieler liefen.

Schon damals studierte er jene Grimassen ein, die später zu seinem Markenzeichen werden sollten. Bis zu seinem großen Durchbruch am 25. Juli 1946 im 500 Club im Zockerparadies Atlantic City sollten jedoch noch vier Jahre ins Land ziehen. Lewis' erster gemeinsamer Auftritt mit dem Sänger Dean Martin wurde dank der schrägen Improvisationen zur Sensation.

Wenig später bot der Filmproduzent Hal Wallis dem Komiker-Duo einen Vertrag mit Paramount Pictures an. In ihren ersten zwei Filmen, "My Friend Irma" (1949) und "Irma, das unmögliche Mädchen" (1950), kamen sie nur zum Einsatz, um die Handlung ein wenig aufzulockern. Danach spielten sie die Hauptrollen in einigen der größten Publikumserfolge der fünfziger Jahre, darunter "Starr vor Angst" (1953) und "Der Agentenschreck" (1955).

Im Laufe von sechs Jahren stellte das Paar seine Talente in vierzehn Filmen zur Schau, ganz zu schweigen von unzähligen Auftritten in Nachtclubs, Radio und Fernsehen. Lewis spielte immer den verrückten Jungen, der partout nicht erwachsen werden wollte, Martin seinen treuen Freund, der bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit in schallenden Gesang ausbrach. 1956 endete die Partnerschaft im Streit, der erst zwanzig Jahre später mit Martins überraschendem Gastauftritt bei Lewis' alljährlicher Fernseh-Benefizgala auf Vermittlung ihres gemeinsamen Freundes Frank Sinatra beigelegt wurde.

Mit seinem Solodebüt "Dümmer, als die Polizei erlaubt" (1957) bewies Lewis allemal, daß er auch alleine klarkam. Weitere Hits wie "Der Regimentstrottel" (1957) und "Der Geisha-Boy" (1958) liefen in rascher Folge an. Als zu Weihnachten 1960 kein neuer Lewis-Streifen geplant war, beschloß er, selber ein Drehbuch zu schreiben und auf die Leinwand zu bringen. "Hallo, Page!" (1960) wurde ein eher langweiliger Film ohne wirkliche Handlung: Die Sketche filmte Lewis tagsüber im Fountainebleau Hotel in Miami, wo er abends auftrat. Von größerer Bedeutung für die Filmgeschichte war seine Arbeit mit Videoaufnahmen beim Dreh, um zur Kontrolle gerade geschossener Szenen nicht erst die entwickelten Muster abwarten zu müssen.

Nicht zuletzt dank dieser Innovation, die in Form der Videoausspiegelung seither zur Standardausrüstung einer Filmkamera zählte, priesen die renommierten Cahiers du Cinema den Komiker als ernst zu nehmenden Auteur-Filmemacher. Ab 1967 wies er als Professor an der University of Southern California Studenten wie George Lucas und Steven Spielberg ins Regiehandwerk ein.

Mit "Der verrückte Professor" (1963), der urkomischen Jekyll-und-Hyde-Geschichte eines trotteligen Wissenschaftlers, der zum heißblütigen Jazz-Liebhaber wird, lief Lewis zu künstlerischer Hochform auf. Seine nächsten Filme waren weniger erfolgreich, und zeitweilig zog er sich ganz aus dem Geschäft zurück, um 1983 in Martin Scorseses "The King of Comedy" ein triumphales Leinwand-Comeback zu feiern. Kleinere und größere Rollen wie in der Fernsehserie "Wise Guy" sowie Billy Crystals Filmen "Der letzte Komödiant" (1992) und "Tödliche Scherze" (1995) folgten.

Seit 1995 veranstaltet Lewis, der in den letzten Jahren selber immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, zusammen mit dem "Lachdoktor" Clifford Kuhn "Laughter and Healing"-Seminare: Was die Lachmuskeln strapaziert, beschleunigt die Genesung. Nach Risiken und Nebenwirkungen erkundigen Sie sich in jeder gut sortierten Videothek.

Die Cahiers du Cinema priesen Lewis' Regiekunst. Zu seinen Studenten zählten George Lucas und Steven Spielberg.

Foto: Jerry Lewis als Hundesitter in "Der Ladenhüter", zu sehen am 1. April um 15.30 Uhr auf 3sat


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