© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Gewollte Empörung
Hysterie: Konstantin Wecker, die Antifa und die NPD
Christian Dorn

Genug ist nicht genug, ich laß mich nicht belügen" - diese Liedzeile Konstantin Weckers ist zweifellos seine bekannteste, sie bescherte ihm 1977 den musikalischen Durchbruch. Nach der Absage seines geplanten Konzertes im Käthe-Kollwitz-Gymnasium von Halberstadt durch den Landrat Henning Rühe bekommt dieses Bekenntnis eine unfreiwillige Aktualität. Denn die Hysterie, mit der die Republik den nicht zustande gekommenen Auftritt des Liedermachers kommentiert, stützt sich auf eine Chronologie der Ereignisse, die offensichtlich nicht ganz den Tatsachen entspricht.

Im Rahmen seiner Tournee "Antifa 2006" wollte Konstantin Wecker am 8. März unter dem Motto "Nazis, raus aus unserer Stadt!" auf Einladung des Soziokulturellen Zentrums Zora e.V. ein Benefizkonzert geben, durch das dieses finanziell unterstützt werden sollte. Die Einrichtung war in der Vergangenheit mehrfach Adressat von Hooligan-Attacken gewesen, bei denen Besucher teilweise krankenhausreif geschlagen worden waren.

Dieses Konzert nun, so empörten sich fast alle Medien - vom Spiegel bis zum Provinzblatt Dorfener Anzeiger - sei vom Landrat nach einer bereits erfolgten Zusage abgelehnt worden, weil die örtliche NPD dagegen protestiert habe. Tatsächlich hatte die NPD am 8. Februar in zwei Schreiben an die Stadt und den Landkreis gegen die geplante Veranstaltung protestiert, weil sie das politische Neutralitätsgebot für eine öffentliche Einrichtung, zumal während der Wahlkampfzeit, verletzen würde.

Die NPD kündigte an, alle rechtlichen Mittel einzusetzen, um "die Durchführung dieses Konzertes" zu verhindern. "Im Falle eines Nichterfolgs", heißt es drohend, werde man "aktiv an der Veranstaltung teilnehmen - zur Not auch mit Protestaktionen", bis hin zu "Blockaden". Zudem wurde angekündigt, daß man künftig "diverse Konzerte nationaler Liedermacher" in öffentlichen Gebäuden "juristisch erkämpfen" werde.

Beispiele anderer Gemeinden, etwa die Passauer Nibelungenhalle, wo sich die DVU nach einem Präzedenzfall einklagte, gibt es in der Tat, so daß die Absage des Hausherren, Landrat Rühe, durchaus nachvollziehbar ist.

Der Medienskandal nun kam durch eine irreführende Meldung von dpa ins Rollen. Die Nachrichtenagentur vermeldete am 8. März, dem ursprünglich geplanten Konzerttermin, daß die Stadt Halberstadt auf Druck der NPD das Konzert von Konstantin Wecker "verboten" habe. In Wirklichkeit jedoch war der Gang der Dinge ein wenig anders.

Im Januar hatte das Soziokulturelle Zentrum beim Landrat wegen des Konzerts in der Aula des Gymnasiums angefragt. Wie Landrat Henning Rühe gegenüber der JUNGE FREIHEIT erklärte, hatte er zwar Verständnis für die Initiatoren bekundet, aber keine Zusage erteilt. Schließlich sei er nach Prüfung der Konzert-Ankündigung zu dem Schluß gelangt, daß diese als politische Äußerung zu verstehen sei, für die keine schulische Räumlichkeit in Frage käme. Da Politbarde Wecker sich weigerte, auf das "Antifa"-Motto und den "Nazis raus"-Slogan zu verzichten, zeichnete sich bereits Anfang Februar ab, daß das Konzert in der Schule nicht stattfinden würde.

Daraufhin stellte das "Zentralkomitee Zora" die Nachricht von der vorläufigen Ablehnung des Konzertes am 8. Februar auf die Seite des linksextremen Internetportals indy-media.de, um die Sache öffentlich zu machen und Protest zu organisieren. Der stellte sich auch prompt ein - nur eben von der gänzlich anderen Seite. Wie der NPD-Funktionär des Kreisverbandes Wernigerode-Halberstadt, Matthias Heyder, gegenüber der JUNGE FREIHEIT versicherte, stieß er bei indymedia eher zufällig auf die Notiz von dem wegen seiner politischen Ausrichtung vakanten Konzerttermin. Daraufhin erst erfolgte das - nun von allen Medien zitierte - Schreiben an die Verwaltung des Landkreises, aufgrunddessen der Landrat sich verständlicherweise in seiner Ablehnung bestärkt sah.

Kurios, wäre es für das Bild der Stadt nicht so verheerend, sind indes die fast wortgleichen Kommentare von Heyder und Rühe. Für den NPD-Funktionär handelt es sich um eine "inszenierte Medienkampagne", während der Landrat von einer "perfiden Inszenierung" der Medien spricht. Aus heiterem Himmel, so Rühe, sei "durch miserable Recherche" seitens der Medien ein Bild erzeugt worden, gegen das man sich de facto nicht wehren könne. Er komme sich vor "wie bei der verlorenen Ehre der Katharina Blum".

Wie fragwürdig die mediale Wiederspiegelung ist, zeigte die ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" vergangenen Sonntag. Da wurden durchgehend Halberstädter ins Bild geholt, die Empörung über die Konzertabsage äußerten. Dem entgegnet der Landrat gelassen, daß dies nicht der Wirklichkeit entspreche. Die Menschen akzeptierten seine Entscheidung.

Foto: Konstantin Wecker


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