© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Zwischen Zensur und Gefängnis
Ob in Kuba, Nordkorea, Libyen oder Weißrußland - die Pressefreiheit hat weltweit einen schweren Stand
Curd-Torsten Weick

Europa

Die "fortdauernde Konzentration der Macht in den Händen der Exekutive" Rußlands ist für das US-Außenministerium höchst bedenklich. Dies folgert der aktuelle US-Menschenrechtsbericht und kritisiert die Situation in Rußland und Weißrußland. Wenn es um die Pressefreiheit geht, prasselt auf beide Staaten erhebliche Kritik. "In Rußland herrscht keine Pressefreiheit nach westlichem Standard. Der Staat kontrolliert das landesweite Fernsehen und in dem findet fast nur Putin statt. Unabhängige Zeitungen mit geringer Auflage sind nur in größeren Städten zu haben", läßt der stern verlauten, und gibt wieder, was auch bei Hilfsorganisationen so gesehen wird. Ob in Weißrußland, Rußland oder anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion - die Arbeitsbedingungen für Journalisten seien extrem schwierig, heißt es.

Auch im Rest Europas ist längst Ernüchterung eingekehrt. Spätestens seit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen hat man bemerkt, daß Grenzen überschritten werden könnten. Dies mußte im Januar 2005 der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer erfahren. Wegen der Verletzung des öffentlichen Anstandes und religiöser Gefühle durch seine Comic-Satire "Das Leben des Jesus" wurde er in Abwesenheit von einem Athener Gericht zu sechs Monaten Haft verurteilt. Zwar wurde Haderer in zweiter Instanz vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochen, doch sollte das Urteil die Grenzen der Pressefreiheit in der EU deutlich machen. Grenzen, die die spanische Politik in ihrem Kampf gegen den Terror der baskischen ETA vielfach aufzeigte. Im Februar 2003 wurden der Chefredakteur und weitere Mitarbeiter von Euskaldunon Egunkaria verhaftet. Ihnen wird die Mitgliedschaft in der ETA und die Kooperation mit Terroristen zur Last gelegt. Seit drei Jahren warten die Journalisten nun auf die Entscheidung, ob Anklage erhoben wird. Die Zeitung existiert nicht mehr.

ROG-Rangliste 2005: Weißrußland Platz 152, Rußland 139, Ukraine 112, ... Spanien 40, Deutschland 18, Dänemark, Finnland, Irland, Island. Norwegen, Niederlande, Schweiz je Platz 1.

 

Asien

Im Vergleich zu den oftmals prekären Zuständen um die Pressefreiheit in vielen afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten stehen die nah- und fernöstlichen im Urteil von Menschenrechtsorganisationen noch am untersten Ende der Skala. Ob Nordkorea, Burma, der Iran, Saudi-Arabien oder China - die gröbsten Verstöße finden sich hier. Die Pressefreiheit sei in diesen Staaten "faktisch nicht existent", erklärt zusammenfassend Reporter ohne Grenzen. Dabei sind dies nur einige Brennpunkte unter vielen.

Entsprechend blickte die Welt für eine Woche auf die Philippinen. Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo sprach von einer Verschwörung und verhängte den Ausnahmezustand. Parallel dazu gab es Drohungen an die Adresse kritischer Medien und es kam zur durch den Ausnahmezustand "legitimierten" Besetzung der Räumlichkeiten des der Opposition nahestehenden Daily Tribune. Es folgten Demonstrationen von Journalisten für den Erhalt der Pressefreiheit.

Demonstrationen, die auch im Königreich Nepal nicht gern gesehen werden. In keinem anderen Land der Erde seien in den vergangenen zwei Jahren so viele Journalisten festgenommen worden wie im Himalaya-Königreich, erklärt die Hilfsorganisation Reporter ohne Grenzen. Nepals König Gyanendra Sha Dev hat vor einem Jahr die Regierungsgeschäfte übernommen und verfolgt seitdem einen autoritären Regierungsstil, der sich in erster Linie gegen die maoistischen Aufständischen richtet, die die Umwandlung Nepals in eine kommunistische Volksrepublik anstreben. Die Behörden verboten fortan Demonstrationen, verhängten Ausgangssperren, unterbrachen Mobiltelefonverbindungen und nahmen Hunderte Journalisten und Oppositionelle fest.

ROG-Rangliste 2005: Nordkorea letzter Platz 167, Iran 164, Burma 163, Nepal 160, China 159, Vietnam 158, Saudi-Arabien 154, Malediwen 148, Syrien 145, Philippinen 139, Türkei 98, ... Israel 47, Hong Kong 39, Japan 37, Südkorea Platz 34.

Auf den ersten Blick haben Teodoro Obiang Nguema Mbasogo, der Präsident Äquatorialguineas, Maumoon Abdul Gayoom, seit 27 Jahren Präsident des Urlaubsparadieses Malediven, König Gyanendra Sha Dev von Nepal oder Rußlands Präsident Wladimir Putin wenig gemein. Doch für die Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen (ROG) gibt es eine Gemeinsamkeit, die alle miteinander verbindet: Sie seien einige der "schärfsten Widersacher der Pressefreiheit", ja, deren "Feinde", heißt es auf der ROG-Internetpräsenz. "Sie drohen, zensieren, lassen einsperren" erklärt ROG und berichtet über vielfältige Ereignisse und Repressalien.

Die Zahlen sprechen für sich. Entsprechend veröffentlicht die Hilfsorganisation Writers-in-Prison der Internationalen Schriftstellervereinigung P.E.N. halbjährliche Berichte, die das steigende Ausmaß von Zensur, Repression, Haft und Mord auf gründliche Art und Weise auflistet. Auch das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) beschäftigt sich mit Zahlen und veröffentlichte eine Liste der Staaten, in denen Journalisten inhaftiert sind. An der Spitze wird China mit 32 Häftlingen angeführt, gefolgt von Kuba (24), Eritrea (15) und Äthiopien (13).

Zwar ist die Pressefreiheit seit Beginn des Streits um die Mohammed-Karikaturen in aller Munde und das Schicksal entführter Journalisten im Irak oft auf dem Bildschirm präsent. Die vielen Einzelschicksale jedoch, die an allen Flecken der Welt zu beobachten sind, laufen demgegenüber nahezu unter Ausschluß der Weltöffentlichkeit. Wen aber interessiert das Einzelschicksal des Inhaftierten Journalisten in Burma überhaupt? Wer kümmert sich um die Einhaltung der Pressefreiheit und nach wessen Standards wird sie bemessen?

Verfolgt man allein die weltweiten Dissonanzen und Ungereimheiten um Demokratie und Menschenrechte, so ist es nur allzu verständlich, daß es auch im Rahmen der Pressefreiheit äußerst divergierende Standpunkte gibt, die kaum zu messen, geschweige denn zu lösen sind. Dennoch unternimmt die JUNGE FREIHEIT den Versuch, auf diesen Seiten eine Beurteilung und Übersicht der globalen Pressefreiheit darzustellen und beruft sich in diesem Sinne auf die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen wie der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte Deutschland, Writers-in-Prison des Internationalen und deutschen P.E.N. und von Reporter ohne Grenzen (siehe Seite 9).

Foto: Protest in Manila, Philippinen: "Schützt die Pressefreiheit"

 

Nordamerika

Als Land der unbegrenzten Pressemöglichkeiten gelten die USA schon lange nicht mehr (ROG-Rangliste Platz 44). Vor allem nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und infolge des Einmarsches in den Irak, in dessen Folge bis dato 61 Medienvertreter ums Leben kamen, häuft sich die Kritik. Laut Reporter ohne Grenzen wurden in den USA seither "zahlreiche Journalisten verhaftet, weil sie in Gerichtsverhandlungen ihre Quellen nicht preisgaben oder weil sie nach dem 11. September angeblich Sicherheitsbestimmungen mißachteten".

Über Einschränkungen der Pressefreiheit wurde seitdem oft debattiert. Ob außenpolitisch, als es im Jahr 2003 darum ging mittels "embedded journalists", den Rest der Journalisten von der Berichterstattung über den Irak-Feldzug auszuschließen. Oder innenpolitisch, als im Juli 2005 die damalige New York-Times- Star-Reporterin Judith Miller 85 Tage in Beugehaft verbrachte, weil sie sich geweigert hatte, ihre Informanten bei einer brisanten Recherche um die Enttarnung einer CIA-Agentin preiszugeben.

 

Mittel- und Südamerika

In einem Punkt sind sich auch die divergierendsten Hilfsorganisationen einig: Fidel Castros Kuba steht beim Thema Einschränkung der Pressefreiheit an der Spitze der negativen Schlagzeilen. Allein schon der Hinweis darauf, daß laut der dortigen Verfassung alle Medien dem Staat gehören und von der Regierung kontrolliert werden, genügt. Dementsprechend kann man kaum von einer freien Presse sprechen. "Empfindliche" Themen landen auf dem Index und die zuständigen Journalisten, die es gewagt haben diese anzufassen, im Gefängnis. In dem gleichgeschalteten System bekommen selbst Autos von internationalen Korrespondenten spezielle Kennzeichen, um deren Beobachtung zu erleichtern.

Doch auch Mexiko steht am Pranger. So drückte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Mexiko seine Besorgnis über "wiederholte Übergriffe auf Journalisten" aus. UN-Vertreter Amerigo Incalcaterra erklärte, daß seit November vergangenen Jahres zwölf Anschläge auf Mitarbeiter von Medien dokumentiert worden seien: Zwei Morde, vier Überfälle und sechs Drohungen. Incalcaterra erinnerte den mexikanischen Staat an seine Verpflichtung, das Recht jeder Person auf unparteiische Meinungsäußerung und Meinungsbildung zu respektieren und zu garantieren. Auch in Kolumbien gab es im vergangenen Jahr zahlreiche Übergriffe. Einige Journalisten, wie der Radioreporter Julio Hernando Palacios Sanchez mußten dies mit ihrem Leben bezahlen. Palacios hatte es gewagt, über die politische Korruption in der Region zu berichten.

ROG-Rangliste 2005: Kuba Platz 161, Mexiko 135, Kolumbien 128, ... El Salvador 28, Trinidad und Tobago Platz 12.

 

Afrika

Egal ob im arabischen Nordafrika oder im weitläufigen und vielfältigen Schwarzafrika. Wenn es um die Pressefreiheit geht, vergeht zwischen Algerien und Simbabwe, zwischen Eri-trea und Sierra Leone kaum ein Tag, an dem Journalisten nicht nur erheblich bei ihrer Arbeit behindert werden, sondern zudem oft um ihre Existenz, die Freiheit oder gar ihr Leben fürchten müssen.

Einem Bericht des vom Auswärtigen Amt geförderten Internetportals Qantara.de zufolge, gibt es allein für den maghrebinischen Raum eine Fülle von Fällen, die der algerische Journalist und Schriftsteller Hamid Skif in seiner "düsteren Bilanz" zusammengefaßt hat. Als "Kafkaeske" des Jahres 2005 berichtet dieser von der Verurteilung zu zehn Jahren Schreibverbot für den Journalisten Ali Lmrabet durch ein Gericht in der marokkanischen Hauptstadt Rabat. Dies sei das Resultat "eines sich durch Regelwidrigkeiten auszeichnenden Prozesses", so Skif. "Motiv für die Klage gegen den Journalisten waren seine Erklärungen in der Wochenzeitung Al-Mustaqil zu den Sahraouis, die im Lager der Polisario im Südwesten Algeriens leben. Er hatte erklärt, die Sahraouis seien nicht 'widerrechtlich eingesperrt', wie offizielle Verlautbarungen bekunden, sondern - nach dem Verständnis der Vereinten Nationen - 'Flüchtlinge'". Lmrabet hatte mit einer "lancierten Pressekampagne" zu kämpfen und bekam es mit "bis dahin unbekannten Organisationen" zu tun, die ihn bei Sit-ins als Verräter brandmarkten. Bereits im Jahr 2003 war Ali Lmrabet, damals Chefredakteur vom Demain Magazine und vom Douman, wegen Majestätsbeleidigung, Angriff auf die territoriale Integrität und Angriff auf die Monarchie zu vier Jahren Haft verurteilt worden.

Doch auch abseits solch "kafkaesker" Verurteilungen im Rahmen diffiziler West-Sahara-Thematik, erscheint die Lage prekär. In Tunesien, so Skif, unterliege das Internet einer strengen Zensur und selbst im fortschrittlichen Algerien sei man "noch nicht bereit, private Fernseh- und Radiosender zuzulassen, weil die Regierung auf jedes Projekt dieser Art mit Widerstand reagiert". Vielfach existiert die Pressefreiheit nur auf dem Papier. Und der Journalist, der sich dennoch danach ausrichtet, lebt gefährlich. Gefährlich, wie Franck Ngyke Kangundu im Kongo. Zwar garantiert auch hier die jüngst erlassene Verfassung die Pressefreiheit, doch die Realität sieht dann oft anders aus.

Wer für die freie Meinungsäußerung, für die Menschenrechte und für eine rechtsstaatliche Demokratie einsteht, gilt oft als Querulant und muß gar mit Todesdrohungen rechnen. Und die Warnungen sind ernst zu nehmen. So sorgte der Mord an dem Kolumnisten der kongolesischen Zeitung La Référence Plus in Kinshasa am 3. November 2005 für erhebliches Aufsehen. Zumindest bei den Medienschaffenden. Etwa 1.000 Medienbeschäftigte vollzogen im Anschluß an den Mord einen Schweigemarsch und forderten eine unabhängige Untersuchungskommission, in der auch sie selbst vertreten sein müßten. Ein Wunschtraum?

ROG-Rangliste 2005: Eritrea findet sich auf dem vorletzten Platz 166, Libyen 162, Simbabwe 153, Somalia 149, Tunesien 147, Kongo 146, Elfenbeinküste 144, Ägypten 143, Jemen 136, Sudan und Äquatorialguinea 133, Marokko 119. Weitaus besser steht es um Mosambik Platz 49, Südafrika 31, Benin und Namibia 25.


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