© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

BRIEF AUS BRÜSSEL
Hinter der sozialen Maske
Andreas Mölzer

Mit einem Fonds will nun Brüssel die negativen Folgen der Globalisierung abfedern. Jenen Menschen, die ihre Arbeitsplätze verlieren, müsse beigestanden werden, "Solidarität und Fairneß" seien Grundwerte der EU.

Mit dieser sozialen Maske versuchen die Brüsseler Helfershelfer der internationalen Großkonzerne, ihre neoliberale Fratze zu verbergen. Denn die Einrichtung dieses Fonds ist weniger von der Solidarität mit den Hunderttausenden Opfern der Globalisierung in der EU, sondern vielmehr von der Überlegung getragen, den Bürgern, die die hemmungslose Liberalisierung ablehnen, Sand in die Augen zu streuen. So wird in der Begründung des Entwurfs darüber geklagt, daß es wegen der von der Globalisierung vernichteten Arbeitsplätze zu "einer verzerrten Wahrnehmung der Globalisierung" und zu einer Untergrabung der öffentlichen Unterstützung für "Handelsliberalisierung und Marktöffnung" komme.

In keiner Weise verhehlen die Eurokraten ihre Auffassung, welche angeblich so segensreichen Auswirkungen die verstärkte Öffnung der Märkte habe. Der wirtschaftlichen Dynamik und der Wettbewerbsfähigkeit eröffneten sich neue Möglichkeiten, und quasi als Draufgabe würden in Hülle und Fülle Arbeitsplätze von hoher Qualität geschaffen werden. Die Kehrseite der Medaille - Massenentlassungen und der mit ihr verbundene wirtschaftliche Niedergang ganzer Landstriche - werden euphemistisch als "ungünstige Auswirkungen" bezeichnet, die sich eben nicht vermeiden lassen. Der massenhafte Verlust von Arbeitsplätzen und die Gefährdung Hunderttausender Existenzen werden vom EU-Establishment bewußt als Kollateralschaden in Kauf genommen.

Die 500 Millionen Euro, mit denen der Globalisierungsfonds jährlich ausgestattet werden soll, sind im Vergleich zu den Milliarden, die Großkonzerne an Förderungen erhalten, ein Pappenstiel. Damit die EU wegen der vor ihr vorangetriebenen Globalisierung nicht zu sehr zur Kasse gebeten wird, wurden die Voraussetzungen für die Auszahlung der Gelder so eng formuliert, daß nur wenige Opfer der Globalisierung in den Genuß von Zuwendungen kommen werden. Denn nur in den seltensten Fällen werden in einer betroffenen Region "unerwartet" - so die Voraussetzung - mehr als 1.000 Arbeitnehmer durch ein Unternehmen gekündigt werden oder in einem Wirtschaftssektor des Landes mehr als 1.000 Arbeitsplätze wegfallen.

Völlig ausgeschlossen von allfälligen Entschädigungen sind jene Menschen, deren Arbeitsplatz durch eine Verlagerung innerhalb der EU verlorenging. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Brüssel unterstützt diesen Wanderzirkus auf großzügige Weise. Manche Firmen ziehen so alle fünf bis sieben Jahre in jenes EU-Land, wo es gerade die höchsten Fördersätze gibt - denn Förderungen müssen nur dann zurückgezahlt werden, wenn der subventionierte Standort innerhalb von fünf Jahren aufgegeben wird.

Wollte die EU die Arbeitnehmer wirklich vor den Folgen der Globalisierung schützen, dann wären Schutzzölle auf Billigimporte aus Drittstaaten ein geeigneteres Mittel. Ein anderer Ansatz könnte darin bestehen, jene Unternehmen, die Arbeitsplätze in Billiglohnländer auslagern, von den EU-Förderungen auszuschließen. Für diese Maßnahmen fehlt Brüssel aber der politische Wille.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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