© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/06 03. März 2006

Frisch gepresst

Deutsch-französische Annäherung. In der vergangenen Woche hat der polnische Präsident Lech Kaczynski das "Weimarer Dreieck" zwischen seiner Nation und Deutschland und Frankreich spektakulär in Frage gestellt. Was genau dieses "Weimarer Dreieck" eigentlich ausmacht, kann wahrscheinlich kaum jemand konkretisieren. Erst wer die deutsch-französische Annäherung nach 1945 verfolgt, dem wird der Kontrast zur nach über zehn Jahren über den Status der Willensbekundungen und Äußerlichkeiten nicht hinausgehenden Allianz bewußt. Anschaulich wird diese bilaterale Beziehung im von der Lyoner Historikerin Hélène Miard-Delacroix und ihrem Saarbrücker Kollegen Rainer Hudemann herausgegebene Aufsatzwerk "Wandel und Integration. Deutsch-französische Annäherungen der fünfziger Jahre" (Oldenbourg Verlag, München 2005, 463 Seiten, gebunden, 39,80 Euro) beschrieben, das die Ergebnisse einer Tagung aus dem Oktober 2004 in Paris wiedergibt. So steckte auch in den Bemühungen der Zeit vor und nach den Pariser Verträgen 1954 mehr Symbolhaftigkeit als politische Wirkung. Das bewirkte schon die politische Ungleichheit zwischen der Siegermacht und einer noch unmündigen Bundesrepublik - erst recht bis zur Lösung der latent im Raume stehenden "Saarfrage". Doch ab 1955 wurde die anfänglich auf nationale Egoismen beschränkte Beziehung aus der Einsicht einer gewissen Gleichrangigkeit zunehmend partnerschaftlicher - besonders durch Deutschlands steigende wirtschaftliche Prosperität begründet. Auch wenn immer noch nationale Interessen vorherrschen - in Paris mehr als in Berlin -, ist die damals beginnende Überwindung staatlicher und gesellschaftlicher Unterschiede zwischen den "Erzfeinden" beiderseits der Vogesen faszinierend zu beobachten.

Deportierte. Im Wettbewerb der Erinnerungen der Opfer des Zweiten Weltkriegs spielten die vielen deutschen Zivilverschleppten aus Ost- und Ostmitteleuropa nicht unbedingt eine vordergründige Rolle. Zum einen war ihr genaues Schicksal in den von Flucht und Vertreibung geprägten Wirren der letzten Kriegsmonate im Eroberungsraum der Roten Armee oft im Verborgenen geblieben oder - wie im Falle der aus Siebenbürgen stammenden Landsleute des Autors Michael Kroner - konnte dieses jenseits des Eisernen Vorhangs später nicht entsprechend "aufgearbeitet" werden. Als einer der wenigen, die nicht als Betroffene selbst auf den Leidensweg hinweisen, möchte Kroner mit seiner historischen Einführung die im Sechzigsten-Jahrestag-Gedächtnismarathon Zukurzgekommenen würdigen. Im offiziellen Gedenken wurden die wenigen heute hochbetagten Überlebenden, die aufgrund eines Kollektivvorwurfs als Deutsche in jahrelanger Sklavenarbeit in der Sowjetunion gehalten wurden, nämlich vergessen oder nicht erwähnt (Deportation von Deutschen in die Sowjetunion. Zwangsarbeiter in der sowjetischen Wirtschaft (1945-1949). Eckartschrift 178. Verlag der Österreichischen Landsmannschaft, Wien 2005, 111 Seiten, broschiert, 7,40 Euro).

Neudeutsch. Für Burckhard Garbe, Literaturwissenschaftler aus Göttingen mit 68er-Färbung, ist die deutsche Sprache "kein verstaubtes Museum. Sie bleibt lebendig und wandelt sich." Allerdings merkt man seinen "Sprachglossen zum Neudeutsch" an, daß er viele Lebendigkeiten mit einem gesunden Grad Skepsis begleitet. Nicht nur die immer sinnloser um sich greifenden Anglizismen oder die "Apokatastophen" an den Imbißschildern (Ali's Döner, Karin's Futterkrippe) dieses Landes finden seinen Spott, auch die Abkürzungssprache oder die "Gleichberechtigung in der Sprache" werden glossarhaft durch den Kakao gezogen. Dieses Chaos wird dann durch unklar definierte Rechtschreibregeln verschärft, wobei sich Garbe aber klar zur Rechtschreibreform bekennt (Goodbye Goethe. Herder Spektrum, Freiburg 2005, 158 Seiten, broschiert, 6 Euro).


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