© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/06 03. März 2006

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Kontinuität
Karl Heinzen

Bislang lebte die deutsche Öffentlichkeit in dem Glauben, daß die beiden BND-Mitarbeiter, die sich während des Irak-Krieges in Bagdad aufgehalten haben, die amerikanischen Partner lediglich über zivile Liegenschaften informierten, die sie von ihren Luftangriffen möglichst ausnehmen sollten. Anscheinend ging ihre Amtshilfe aber doch ein wenig darüber hinaus. Auch Koordinaten militärischer Einheiten und Objekte, die einen Waffeneinsatz durchaus lohnten, sind offenbar übermittelt worden. Als "kriegsbedeutend" sollte man diese kleine Gefälligkeit allerdings nicht bezeichnen. Auch wenn sich ein spät entdeckter deutscher Beitrag zum Blitzsieg im Irak-Feldzug ganz hübsch in die neue Harmonie zwischen Berlin und Washington einfügen würde, steht es unverändert einzig und allein den USA zu, diesen Erfolg exklusiv für sich zu reklamieren.

Die nach und nach bekannt werdenden Aktivitäten des Geheimdienst-Duos im Irak bieten jedoch die Gelegenheit, das schiefe Bild, das über die Außen- und Bündnispolitik der Ära Schröder/Fischer gezeichnet wird, endlich zurechtzurücken. Berlin hat sich zwar seinerzeit nicht in die Koalition der Willigen eingereiht. Die moralischen und völkerrechtlichen Bedenken der für die deutsche Politik Verantwortlichen verführten sie aber auch nicht dazu, auf Obstruktion gegen das, was nun einmal getan werden mußte, zu setzen. Hätte die Bundesrepublik wirklich auf dem sturen Standpunkt beharrt, daß es sich bei der Operation "Iraqi Freedom" um einen durch die Charta der Vereinten Nationen verbotenen Angriffskrieg handelte, wäre es ihr strenggenommen verwehrt gewesen, den Amerikanern die Nutzung ihrer hiesigen Stützpunkte und des deutschen Luftraums für die Erzwingung eines demokratischen Wandels in Bagdad zu gestatten.

Statt dessen kam sogar die Bundeswehr zum Einsatz: Durch die Bewachung amerikanischer Militäranlagen in Deutschland und die Übernahme größerer Verantwortung in Afghanistan sorgte sie für eine relevante Entlastung der US-Streitkräfte. Der Dissenz zwischen Berlin und Washington war somit allenfalls atmosphärischer Natur. Hätte der US-Präsident Clinton oder Gore und nicht Bush geheißen, wäre Schröder vielleicht auch eine offene Solidarität mit dem Bündnispartner möglich gewesen. Man sollte daher Angela Merkel Gerechtigkeit widerfahren lassen und sie nicht herausragender Kriegslüsternheit gegenüber dem Iran bezichtigen. Nicht im Ton, aber in der Sache steht die Kanzlerin hier in Kontinuität zu der Politik ihres Vorgängers.

Foto: Bea Robein in der Rolle von Händels "Lotario": Hände und Arme werden vom Körper weg gehalten


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