© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/06 24. Februar 2006

PRO&CONTRA
Muß es für Karikaturen Grenzen geben?
Pater Lothar Groppe / Viktor Mammes

Die - oft gewaltsamen - Proteste islamischer Massen gegen die Karikaturen ihres Religionsgründers Mo-hammed führten auf katholischer Seite zu ernsten Mahnungen, die religiösen Gefühle der Muslime nicht zu verletzen. Hierzulande werden jüdische und islamische Werte zu Recht geschützt. Christen kommen freilich weniger gut weg.

Mit Berufung auf die Pressefreiheit gestatten sich seit Jahrzehnten nicht wenige "Künstler" und Medienleute, christliche Werte in den Dreck zu ziehen. Artikel 5 GG sagt in Absatz 1 "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten ...". Aber Absatz 2 bestimmt: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." § 166 StGb bedroht das Verbreiten von Schriften, die geeignet sind, religiöse oder weltanschauliche Bekenntnisse anderer so zu verletzen, daß der öffentliche Friede gestört wird, mit Gefängnis oder Geldstrafe.

Gott bedarf keines Schutzes, aber um ein friedliches Miteinander in der Gesellschaft zu ermöglichen, darf die Verächtlichmachung der Religion nicht geduldet werden, wie Bundespräsident Heinemann seinerzeit während der Debatte über den Gotteslästerungspararaphen sagte.

Schon Friedrich der Große erklärte 1740: "Gazetten dürfen nicht genieret werden." Aber 1766 schrieb er an Voltaire: "Die Toleranz muß jedem Bürger die Freiheit lassen, zu glauben, was er will. Aber sie darf nicht so weit gehen, daß sie die Frechheit und Zügellosigkeit junger Hitzköpfe gutheißt, die etwas vom Volk Verehrtes dreist beschimpfen. Sie deckt sich mit dem, was zur Sicherung der Gedankenfreiheit und der öffentlichen Ruhe nötig ist - und das ist der erste Gesichtspunkt jeder Gesetzgebung."

 

Pater Lothar Groppe ist Jesuit und war Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr sowie des Bundesheeres.

 

 

Bestimmte Einschränkungen für einen Cartoon gibt es, die Abmessungen des Blattes etwa. Aber auch inhaltlich. Ein Cartoon darf zum Beispiel nicht so weit gehen, daß der Cartoonist dafür umgebracht wird, denn dann gibt es keine Cartoons. Schon, wenn nur ein Kopfgeld ausgesetzt wird, wird dem Wirtschaftskreislauf Kaufkraft entzogen, das will man natürlich nicht.

Ebenso dürfen Cartoons keine Konsulate anzünden, keine Randale veranstalten und keine Menschen umbringen, denn das dürfen nur die in ihren religiösen Gefühlen beleidigten Weltrandgruppen. Schon gar nicht darf ein Cartoonist Urheberrechte verletzen. Ich habe zum Beispiel für Pardon, Deutschlands beste Satirezeitschrift, die Witzfigur des Selbstmordattentäters erfunden. Nicht den Selbstmordattentäter, nur die Witzfigur. Ich fürchte, demnächst von der Hamas deshalb verklagt zu werden. Der Cartoonist hat eine besondere Verantwortung, denn ein einziger Cartoon kann Millionen Menschen verletzen, ein Selbstmordattentäter dagegen vielleicht zehn oder zwanzig. Im Gegensatz zum Selbstmordattentäter kann man den Cartoonisten hinterher immer noch haftbar machen und ihm seine Schandtaten vor Augen führen. Das geschieht viel zu wenig - ich würde gern mal bei Sabine Christiansen verhört werden, was ich mir denn dabei denke, und kleinlaut antworten: "Entschuldigung, ich wollte ja nur auf Ihr Sofa, auch wenn ich jetzt merke, daß Sie gar kein Sofa haben."

Geschmackliche Grenzen bestehen da, wo Menschen nicht wissen, was ein Cartoon ist. Die Information "Jungfrauen sind alle" verletzt die sexuellen Gefühle und kann junge Menschen, die sich in Ausbildung befinden, in eine Sinnkrise stürzen. Die Idee zu der entsprechenden dänischen Karikatur hätte ich selbst gern gehabt, hatte sie aber nicht. Da hatte ich wohl doch Grenzen. Aber sonst, nein.

 

Viktor Mammes ist freischaffender Karikaturist. Im Satiremagazin "Pardon" veröffentlicht er Parodien zu Selbstmordattentätern.


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