© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/06 24. Februar 2006

Hemmungslos liberal
von Andreas Mölzer

Es sei ein "guter Tag für Deutschland", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zur Entscheidung des Europäischen Parlaments, der EU-Dienstleistungsrichtlinie zuzustimmen. Wenn man dem 46jährigen Sozialpädagogen glaubt, dann müßten schon bald geradezu paradiesische Zustände für Deutschlands Arbeitnehmer und Betriebe anbrechen. Tatsächlich aber ist der von den beiden großen Fraktionen im Europaparlament, den Konservativen (EVP) und den Sozialdemokraten, ausgeheckte Kompromiß ein massiver Anschlag auf die Interessen von Arbeitnehmern wie auch von kleinen und mittleren Unternehmen. Denn unmittelbar nach dem Inkrafttreten dieses Regelwerks werden polnische, tschechische und slowakische Arbeiter Ein-Mann-"Unternehmen" gründen und in Karawanen als Scheinselbständige in die alten EU-Länder wie Deutschland oder Österreich strömen.

Als Folge dessen ist es dann nur mehr eine Frage der Zeit, bis sich die hohen Arbeitsrechts- und Sozialstandards Deutschlands dem niedrigen osteuropäischen Niveau annähern und viele kleine Gewerbetreibende wegen der Billigkonkurrenz aus Osteuropa den bitteren Gang zum Konkursrichter antreten müssen. Die Bejubelung der EU-Dienstleistungsrichtlinie zeigt aber vor allem, welch geringen Stellenwert die Arbeitnehmer für das EU-Polit-Establishment und seine Vasallen in den Mitgliedstaaten haben. Es soll nämlich nicht das umgesetzt werden, was dem Bürger dient, sondern nur jenes, was mit der neuen Religion des hemmungslosen Liberalismus vereinbar ist.


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