© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/06 10. Februar 2006

Zeitschriftenkritik: Caliber
Pulvermischer und Stahlschweine
Andreas Strittmatter

Was sind das eigentlich für Menschen, die Waffenmagazine kaufen? Allesamt potentielle Amokläufer? Latente Rambos? Impotente Phallusfetischisten? Waffensammler, Sportschützen und sonstige am Schießsport Interessierte müssen sich - besonders nach Tragödien wie weiland in Erfurt - die kritischen Blicke von friedenspädagogisierten und Michael-Moore-versierten Zeitgenossen gefallen lassen, wenn sie sich ihre spezifische publizistische Monatsration am Kiosk abholen. Immerhin sind in Deutschland bei aller gesetzlichen Regulierungswut Magazine wie das Deutsche Waffen Journal, Visier und Co. noch ohne Erwerbskarte verkäuflich.

Besonders schwermetallastig kommt im Februar caliber daher: "Die weltstärksten Revolver" präsentiert das im 18. Jahrgang erscheinende Magazin und klotzt auf dem Titel unter anderem mit einem Sportrevolver, quasi einer Koproduktion zwischen Smith & Wesson und einem deutschen Büchsenmachermeister: Natürlich kein ballistisches Leichtgewicht, schließlich handelt es sich bei der Poly 1550 um eine Kurzwaffe im saftigen Großkaliber .44 Magnum. Wem der Rückstoß beim Abfeuern einer solchen Waffe immer noch zu popelig ist, der kann sich auch an sogenannten "Freedom Arms"-Revolvern probieren. Unter geschickter Kreativität bei der Laborierung - der spezifischen "Komposition" einer Patrone - kann mit solchen Revolvern hocheffizient auf "Stahlschweine" mit einem Gewicht von annähernd zwei Kilogramm geschossen werden. Wirklich gute Schützen und Pulvermischer katapultieren diese Zielscheiben dann auch circa 10 Meter ins Hinterland, wie caliber beim jüngsten "Freedom Arms Shoot" auf einer ehemaligen Stasi-Schießanlage in der Nähe von Erfurt beobachten konnte.

Angelegentlich: Gleichfalls wie in anderen Sportarten gewinnen Anglizismen bei den Schützen immer mehr Oberhand, caliber (!) macht da keine Ausnahme. So weiß etwa eine Bildunterschrift (in einem durchaus lesenswerten Artikel über israelische Grenzschutz-Eliteeinheiten) von Sicherheitskräften, die nach einem Wurfgeschoß-Angriff an der Jerusalemer Klagemauer die Umgebung "scannen". Doch sonst vermittelt der Beitrag einen lebendigen Einblick in das multikulturelle Pulverfaß rund um den Tempelberg.

Daß die Waffenwelt nicht nur martialisch hochgerüstet sein muß, beweist ein Beitrag über Kleinkaliberbüchsen, die, obschon alle unterschiedlicher Provenienz, so aussehen, als hätte sich Friedensreich Hundertwasser, eine amüsante Vorstellung, auch an der Gestaltung von Gewehren versucht.

Wie in den meisten anderen Beiträgen - heuer etwa über diverse Taktikwaffen und deren Ausstattung - setzt das Magazin stark technische Schwerpunkte, was bei der Lektüre auf Dauer ermüden kann. Aber für alle, die Waffen nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit, sondern auch als Gegenstände technischer Ästhetik sehen, wartet die Zeitschrift (wie der Playboy, aber auch andere Waffenmagazine) mit einem Kleinposter zum Ausklammern auf - im Februar eine Remington-Büchse in Tarnfarben.

Anschrift: Vogt-Schild Deutschland GmbH, Sachsenring 73, 50677 Köln, Internet: www.caliber.de


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