© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/06 10. Februar 2006

Sparlampen für die Revolution
Kuba: Castro läßt Sichtschutz vor US-Vertretung errichten / Offensive für Energieeinsparung / Druck auf Gewerbetreibende
Paul Leonhard

Größe Töne hat der greise Diktator noch im November gespuckt: "Wir sind unverwundbar", verriet er in einem Fernsehinterview dem argentinischen Ex-Fußballstar Diego Maradona, der zu den Bewunderern des kubanischen Revolutionsführers Fidel Castro zählt. Das sozialistische Kuba sei ein Land, das die Bedeutung des Menschen und die Vorteile der Bildung deutlich mache und zeige, was mit Menschen alles erreicht werden könne.

Wie leicht verwundbar und dünnhäutig der 79jährige Präsident in der Realität ist, zeigt der jüngste Höhepunkt im bereits seit Jahren schwelenden ideologischen Kleinkrieg zwischen der sozialistischen Staatsmacht und der US-Vertretung im Herzen Havannas. Daß das Gebäude des Klassenfeindes von bewaffneten Kräften weiträumig umstellt ist und selbst Touristen auf die Meerseite des Malecón ausweichen müssen, ist längst selbstverständlich.

Auch die großen Transparente mit politischen Losungen, auf denen sich die politische Führung Kubas über Uncle Sam lustig macht, sind Alltag. Außerdem hat Castro bereits vor Jahren eine riesige Tribüne gegenüber der Vertretung errichten lassen, von der er regelmäßig seine Hetztiraden gegen das freie Amerika richtet. Ende Januar zogen etwa eine Million Kubaner am Gebäude vorbei, um die US-Politik zu verurteilen.

Inzwischen schlägt der Klassenfeind aber zurück. Auf Anweisung von US-Präsident George W. Bush wurde im vorletzten Stock der Interessenvertretung eine breite und fast zwei Meter hohe elektronische Anzeigetafel angebracht. Auf dieser laufen - weithin sichtbar und sehr zur Empörung Castros - nicht nur aktuelle Nachrichten, sondern auch Artikel aus der UN-Menschenrechtserklärung und Zitate von Bürgerrechtlern wie Martin Luther King oder Pazifisten wie Mahatma Gandhi. Castro beschimpfte nach Agenturmeldungen die Diplomaten als Kakerlaken.

Inzwischen läßt er vor der US-Vertretung am Malecón aus Stahl, Beton und Stoff eine riesige Sichtblende errichten. Sie soll den Kubanern künftig den Blick auf die unerbetenen Informationen verwehren. Bauarbeiter errichten Sichtbarrieren und Fahnenmasten, an denen nun 138 schwarze Fahnen mit einem weißen Stern in der Mitte wehen. Mauern zu errichten, um die Kubaner vom Rest der Welt zu isolieren, sei das, was das Regime am besten kann, kommentierten US-Diplomaten.

Energiefressende sowjetische Lkw und Kühlschränke

Castro setzt aber in diesem Jahr nicht nur seine Nadelstiche gegen die Nordamerikaner fort, sondern hat auch Großes vor. "Wißt ihr zum Beispiel, wie viele Kilometer ein (sowjetischer Lkw) Zil-130 mit einem Liter fährt? 1,6 Kilometer. Er transportiert Zuckerrohr oder bringt den Kindern das Frühstück in die Mittelschulen", sagte Castro am 17. November 2005 in seiner Rede anläßlich des 60. Jahrestages seiner Aufnahme in die Universität Havanna. Außerdem habe Kuba 2,4 Millionen veraltete Kühlschränke, die vier- bis fünfmal mehr Strom als Neugeräte verbrauchen.

Daher hat Castro 2006 zum "Jahr der Energiewirtschaftsrevolution" erklärt. Bereits seit Monaten laufen im Staatsfernsehen Kurzfilme mit Tipps zum Energieeinsparen. Die Einfuhr normaler Glühlampen nach Kuba ist längst verboten, da diese das kubanische Energienetz überbeanspruchen würden. Nun sind seit Dezember Tausende junger Sozialarbeiter unterwegs, um insgesamt 15 Millionen Sparlampen zu verteilen. Ziel des ehrgeizigen Planes ist es, den privaten Energieverbrauch um bis zu 70 Prozent zu senken. Gleichzeitig wird das Versorgungssystem umstrukturiert. Die einzelnen Provinzen sollen künftig in eigener Verantwortung über eine kontinuierliche Energieversorgung wachen.

Gleichzeitig wurden landesweit die Strompreise drastisch erhöht. Die Strompreiserhöhung trifft vor allem jene Familien, die sich dank ausländischer Verwandtschaft oder privatwirtschaftlicher Aktivitäten einen gewissen Wohlstand geschaffen haben. So zahlen kubanische Familien bis zu einem Verbrauch von 100 Kilowattstunden weiterhin 0,09 nationale Pesos. Wer zwischen 250 und 300 Kilowattstunden verbraucht, wird jetzt mit 0,80 Pesos je Kilowattstunde zur Kasse gebeten.

Der Kampf gegen die Energievergeudung hat gegenwärtig in Kuba eine ähnliche Bedeutung wie der gegen die Korruption. Denn die Kubaner haben sich in den vergangenen Jahrzehnten jene auch in der DDR bekannte Losung zu eigen gemacht, die dazu aufforderte, noch mehr aus den Betrieben herauszuholen. Zehntausende ausgesuchte, linientreue Sozialarbeiter - die meisten jung, vom Land und auf die sozialistische Revolution eingeschworen - wachen nun beispielsweise an Tankstellen darüber, daß kein Benzin mehr verschoben wird.

Als Folge ist derzeit nicht nur der Schwarzmarkt zusammengebrochen, auch auf den freien Bauernmärkte werden weniger Waren und zu sichtlich gestiegenen Preisen angeboten. Auch die kleinen Privatgaststätten (Paladares) und die Pensionen (beide nur für Devisen-Zahler) wurden in den letzten Monaten mit Neuregelungen konfrontiert. Offensichtlich will Castro den Anfang der neunziger Jahre aus einer wirtschaftlichen Zwangslage heraus zugelassenen privaten Wirtschaft das Leben schwer machen. Kleinkapitalistische Privatinitiativen sind nicht mehr gefragt.

Offiziell wird damit argumentiert, daß hier durch die Nutzung staatlich subventionierten Wassers und Stroms private Gewinne gemacht werden. Der um sich greifenden Zweiklassengesellschaft soll ein Riegel vorgeschoben werden. Die Führung in Havanna setzt wieder auf die SED-Parole "Jeder nach seiner Fähigkeit, jedem nach seiner Arbeit" - natürlich innerhalb der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft.

Sorge um die billigen Öllieferungen aus Venezuela

Die Kubaner murren zwar, wissen aber, daß sich auch das wieder geben wird. Spätestens wenn Venezuelas Präsident Hugo Chávez (dessen Leibgarde übrigen aus kubanischen Elitesoldaten besteht) sich dem innenpolitischen Druck beugen und Kuba für das gelieferte Erdöl statt mit der Entsendung von Ärzten und Spezialisten mit Devisen bezahlen muß, dürfte Castro erneut umsteuern. Auch die "elektroenergetische Offensive" könnte nach hinten losgehen. Denn momentan läßt die Regierung vielerorts die Gasflaschen einziehen, mit denen die Kubaner bisher gekocht haben. Diese werden aber durch elektrische Kochplatten ersetzt.


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