© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/06 10. Februar 2006

"Ich bin ein Neoliberaler"
Berlin: Der grüne Finanzexperte Oswald Metzger gibt sich als konsequenter Reformer / Kongreß des Steuerzahlerbundes
Ronald Gläser

Rein optisch erinnert Oswald Metzger nur noch geringfügig an einen Grünen. Er trägt ein Baumwollhemd ohne Krawatte. Aber schon die schwarze Farbe und der Kurzhaarschnitt lassen ihn eher wie einen Investmentbanker am "Casual Friday" aussehen, wenn auch in der Finanzbranche traditionell legere Kleidung angesagt ist.

"Ich bin ein Neoliberaler", sagt er selbstbewußt und erwähnt - als müßte er dieser Aussage Nachdruck verleihen - noch ganz nebenbei, daß er einen oberen Steuersatz zahlt und in einer privaten Krankenversicherung ist. Der Oswald Metzger, der als "Botschafter" der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Anfang der Woche beim Steuerzahlerkongreß auftritt, könnte auch ein Liberaler sein. Grundsatztreuer als Cornelia Pieper oder Rainer Brüderle von den Blaugelben wäre er allemal.

Er spricht über den demographischen Wandel: "Das ist doch Irrsinn, daß jemand glaubt, mit 29 als Gymnasiallehrer in den Dienst eines Landes eintreten zu können. Und dann noch zu glauben, mit 58 ist 'Riemen runter' angesagt." Welchen seiner im Staatsdienst durch die Institutionen marschierenden Parteifreunde er dabei im Kopf hat, bleibt sein Geheimnis.

Die hohen Lohnkosten töten den Standort Deutschland, referiert der frühere Bundestagsabgeordnete. Beim Opel-Werk in Bochum gebe es 18 Prozent höhere Lohnkosten als beim GM-Standort in Schweden, bei Saab. "Und das, obwohl die Schweden am Ende mehr verdienen", sagt Metzger.

Geradezu populistisch wirken seine Forderungen nach einer Abschaffung der seiner Meinung nach "hoffnungslosen Altersversorgung" der Politiker. Metzger sagt: "Ich will ja jetzt nicht den Nestbeschmutzer machen. Aber dieses Privileg müssen wir schonungslos in Frage stellen." Ein Durchschnittsarbeitnehmer müsse schließlich 92 Jahre arbeiten, um seine Versorgungsansprüche zu verdienen.

Metzger, der im März bei der Wahl in Baden-Württemberg auf einen Einzug in den Landtag hofft, legt nach: "Macht bei der Gelegenheit gleich aus dem 600köpfigen ein 400köpfiges Parlament, wir brauchen mehr Qualität. Nicht mehr Abgeordnete." Und wer den Bundestagsabgeordneten die Qualität abspricht, der macht auch vor öffentlich Bediensteten nicht halt und fordert gleich "die Abschaffung des Beamtenstaates". Bisher hätten Bund und Länder folgende "Milchbuben-Rechnung" aufgemacht: Bei Beamten spart der Staat die Kosten für Arbeitslosigkeit und Rente (im Vergleich zu öffentlich Bediensteten). Langfristig müssen aber künftige Generationen die dann viel höheren Pensionen erarbeiten. Metzger: "Das ist obszön."

Den Fehler des Gesundheitswesens sieht er darin, daß es hier keine marktwirtschaftlichen Anreize gebe. "Unser Gesundheitswesen ist eine marktwirtschaftsfreie Zone." Der Grünen-Politiker fordert Kostentransparenz für Patienten und Mediziner. Alles andere sei "pervers". Nur wegen des Mangels an Kostenkontrolle konnte die Pharmaindustrie den "großen Reibach" machen. "Die macht eine Netto-Umsatz-Rendite nach Steuern von 17 bis 19 Prozent", klagt der Finanzexperte. Deswegen fordert er die Auflösung der Kassenärztlichen Vereinigungen und eine Beteiligung der Patienten an den Kosten für ihre Behandlung und die Medikamente. Horst Seehofer ist für Metzger der "Oskar Lafontaine der CSU", und die "Kopfpauschale" der CDU findet er gut.

In der Parteizentrale der Grünen würden die Wahlkampfstrategen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie Metzger jetzt hören könnten. Die rund 400 anwesenden Mitglieder des Bundes der Steuerzahler lieben ihn dafür. Und so geht es in einem fort: Die Pflegeversicherung hat zur Entsolidarisierung in der Familie geführt ("Das Elend in der eigenen Familie lassen die Leute jetzt einfach links liegen"), und als "Fan von Paul Kirchhof" bekennt er sich auch noch. Für den von Verdi organisierten Streik in seinem Heimatland hat er "null Verständnis".

Oswald Metzger, so scheint es, ist das ultimative Kontrastprogramm zu Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er sagt wie sie vor der Wahl die Wahrheit, macht aber nach der Wahl keine Karriere, sondern wird von den eigenen Leuten dafür abgestraft. So geschehen 2002. Wenn er jetzt die Hoffnung ausspricht, die Wähler sollten Politiker wählen, die sich die Haushaltskonsolidierung auf die Fahne geschrieben haben, dann spüren alle: Dies ist die einzige These, an die er selbst nicht richtig glaubt.

Oswald Metzger: Kontrastprogramm zu Angela Merkel Foto: Ronald Gläser


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