© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/06 10. Februar 2006

Doppelte Provokation
Hamburg: Justizsenator will Jugendstrafrecht abschafften / Gesetzentwurf zur Sterbehilfe
Arnold Steiner

Hamburgs Justizsenator Roger Kusch (CDU) weiß mit seinen Vorschlägen immer wieder eine heftige öffentliche Diskussion zu entfachen. Zunächst sprach er sich für eine straffreie Sterbehilfe aus, nun fordert er nicht weniger als die Abschaffung des gesamten Jugendstrafrechts und legt zudem im Streit um die Sterbehilfe mit einem Gesetzentwurf nach.

Die Verurteilung von Jugendlichen, die eine Straftat begangen haben, soll nach den Vorschlägen des Senators nach Erwachsenenstrafrecht erfolgen, einziges Zugeständnis an die Jugendlichen ist die Halbierung des Strafmaßes. Alle anderen Schutzmechanismen die den Jugendlichen im Gesetz bisher eingeräumt wurden, wie etwa gesonderte Jugendgerichte oder der Ausschluß der Öffentlichkeit während der Verhandlung sollen wegfallen. Kusch, selbst promovierter Jurist und vor seiner Berufung zum Senator unter anderem Ministerialrat im Bundeskanzleramt und Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, weiß, wovon er spricht, und begründet seinen Vorstoß mit der hohen Rückfallquote jugendlicher Straftäter. Den im Jugendstrafrecht verankerten Erziehungsgedanken hält Kusch für verfehlt, es gehe dort nicht um Erziehung, sondern um Schonung der jungen Kriminellen.

Heftige Kritik erntete er für seinen Vorschlag in erster Linie von den Parteigegnern, aber auch von vielen Juristen, die sich klar für das Jugendstrafrecht aussprachen. Auch aus den Reihen der eigenen Partei gab es Kritik und Mißfallen, so stellte der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Gehb, klar, daß das Jugendhilfe- und Jugendrechtssystem nicht in Frage gestellt werden solle. Nicht nur in der Hansestadt wurden Stimmen laut, die den Rücktritt des Senators forderten. Die Anfeindungen, die sich gegen Kusch mehrten, gipfelten Anfang Februar in einem klärenden Gespräch zwischen dem Justizsenator und dem Ersten Bürgermeister der Hansestadt, Ole von Beust. Nach dem Gespräch zeigte sich Kusch "erleichtert", gestand gleichzeitig jedoch auch Fehler ein. Er wurde durch von Beust, der sich in der Öffentlichkeit klar hinter seinen Justizsenator gestellt hatte, aufgefordert, sich in Zukunft zunächst politische Mehrheiten innerhalb der Partei und Fraktion zu suchen, bevor er seine Vorschlägen publik mache.

Auch beim Thema der Sterbehilfe legt Kusch nach. Trotz der heftigen Diskussionen, die es im vergangenen Jahr deutschlandweit aufgrund des Vorschlages gab (JF 43/05), die Sterbehilfe straffrei zu stellen, veröffentlichte der Hamburger Senator in einem juristischen Aufsatz nun einen entsprechenden Gesetzentwurf. In diesem fordert er, den Tatbestand des Paragraph 216 des Strafgesetzbuch (Tötung auf Verlagen), der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden kann, bei der aktiven Sterbehilfe als nicht verwirklicht anzusehen. Bedingung für diese Straffreiheit soll neben den unerträglichen Leiden sein, daß der Lebensmüde volljährig ist, sein Verlangen freiwillig geäußert hat und sich über die Tragweite seiner Entscheidung bewußt ist. Dies soll durch eine notarielle Beurkundung manifestiert werden.

Nach neueren Umfragen befürworten knapp zwei Drittel der Deutschen eine straffreie aktive Sterbehilfe, heftigen Wiederstand gibt es dagegen unter anderem von den Kirchen, und auch die Justizministerkonferenz im Herbst vergangenen Jahres lehnte eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in Deutschland entschieden ab. Der Gesetzentwurf, der schon aufgrund einer fehlenden Mehrheit innerhalb der CDU wenig Aussicht auf Erfolg hat, wird also zumindest die Diskussion um das sensible Thema Sterbehilfe erneut anheizen.

Roger Kusch: Vier-Augen-Gespräch foto: fh hamburg


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