© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/06 10. Februar 2006

Jung sieht alt aus
Die Bundeswehr soll komplett umgebaut werden / Generale entlassen
Paul Rosen

Als Peter Struck die Devise ausgab, Deutschland werde künftig am Hindukusch verteidigt, ahnte kaum jemand, welche einschneidenden Veränderungen damit verbunden sein würden. Die Truppe ist seit der deutschen Einheit Strukturveränderungen gewöhnt, ständig weitere Reduzierungen inklusive. Aber was jetzt mit dem Begriff "Transformation" einhergeht, wird die Bundeswehr so verändern, daß selbst Altgediente sie nicht mehr wiedererkennen werden.

Der Soldat der Zukunft soll alles können. Er operiert am Boden, auf dem Wasser und muß an Luftlandeoperationen teilnehmen können. Im Nato-Sprachgebrauch handelt es sich dabei um das "Joint"-Prinzip. Grob übersetzt: Jeder kann alles. Gefordert sind kleine Einheiten, die schnell beweglich überall auf der Welt in Konflikte eingreifen können. Die Politiker haben dafür Begriffe wie EU-Battlegroups oder Nato-Response-Forces erfunden. Damit wollen sie Handlungsfähigkeit demonstrieren. Da die internationale Politik trotz einer zunehmenden Zahl von Konferenzen und Gremien zu immer weniger Lösungen kommt, greift man gerne wieder zu traditionellen Mitteln und schickt Soldaten.

Die Bundeswehr zahlt für diese Entwicklung einen hohen Preis. Einerseits sinkt die Zahl der Soldaten. Gerade noch 250.000 Mann sollen nach der Zielvorstellung des früheren Verteidigungsministers Struck, die dessen Nachfolger Franz Josef Jung (CDU) nahtlos übernahm, unter Waffen stehen. Zugleich wird die Zahl der Panzer auf 400 verringert. Zwar soll die Luftwaffe mit 180 Eurofightern einen Modernisierungsschub erfahren, aber andererseits mangelt es an Transporthubschraubern und vor allem für lange Strecken tauglichen Transportflugzeugen. Die Marine hat den Auszehrungsprozeß am besten überstanden. Regelmäßig bekommt sie neue Schiffe und U-Boote, weil den im Bundestag verantwortlichen Politikern klar ist, daß sie die Werften stützen müssen.

Quer durch die Teilstreitkräfte wird die Truppe wieder geteilt. Es gibt Eignungskräfte für heiße Einsätze, Stabilisierungskräfte für ruhigere Zonen wie Bosnien und Unterstützungskräfte, die für Nachschub, Versorgung und Ausbildung zuständig sind. Die Eingreif- und Stabilisierungskräfte werden aus allen Truppenteilen zusammengestellt und dann EU und Nato für deren Battlegroups oder Response-Forces zur Verfügung gestellt. Schon zu Zeiten von Rudolf Scharping (SPD) entstand daneben die Streitkräftebasis (SKB) als völlig neue Teilstreitkraft. Die in den SKB aus der ganzen Bundeswehr zusammengewürfelten Soldaten sollen die Logistik regeln. Auch Ausbildung fällt in ihre Zuständigkeit.

In der Bundeswehr hat sich längst die Überzeugung verbreitet, daß die Streitkräftebasis genau das Problem ist, das sie eigentlich lösen sollte. Die Zentralisierung des Nachschubs und der Logistik haut fast nirgendwo hin. SKB-Soldaten haben keine Identität, sondern fühlen sich immer noch ihren früheren Kameraden von Heer, Luftwaffe und Marine verbunden, deren Uniformen sie schließlich auch tragen. Väter dieses Joint-Gedankens sind der frühere Generalinspekteur Harald Kujat und sein Nachfolger Wolfgang Schneiderhan. Schneiderhan will jetzt einen Schritt weitergehen. Seine Zielsetzung besteht darin, die Teilstreitkräftebasis auch zu einer operativ tätigen Truppe auszubauen. Dies soll zunächst dadurch geschehen, daß wichtige Kommandos aus dem Heer herausgenommen und in die SKB übergehen sollen.

Beim nächsten Schritt will Schneiderhan die Führungskommandos der Teilstreitkräfte und vor allem die Führungsstäbe im Ministerium auflösen. Seinem Minister Jung hat Schneiderhan, der den Ruf eines byzantinischen Hofintriganten hat, die Maßnahmen bereits als Straffung und Entbürokratisierung eingeflüstert. Jung soll das glauben, ist im Ministerium zu hören. Im Endergebnis würde dies zu einer faktischen Auflösung von Heer, Luftwaffe und Marine führen.

Die Truppe der Zukunft würde nur noch auf Schneiderhans Kommando hören. Dieser schwäbische General baut sich eine Armee nach seinem Gutdünken zusammen, täuscht Minister und Parlament über seine wahren Absichten. In jedem anderen Land wäre der Generalinspekteur gefeuert worden. In Deutschland jedoch traf Jungs Bannstrahl zwei andere Generale, den stellvertretenden Heeresinspekteur Jürgen Ruwe und den Inspekteur der Streitkräftebasis, Hans-Heinrich Dieter. Dieter war Schneiderhan im Weg, Ruwe hatte es gewagt, sich gegen Schneiderhans Zentralismus auszusprechen.

Noch weiß man nicht, wer verantwortlich war, aber kurz nach einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Ruwe und Schneiderhan tauchten in der Presse Berichte auf, wonach Ruwe und Dieter gekungelt haben sollen. Es ging um Ruwes an der Bundeswehr-Uni Hamburg studierenden Sohn, dem rechtsextremistische Äußerungen vorgeworfen werden. Eigenartigerweise hatten sich die Ermittlungen gegen Ruwe junior acht Monate lang hingezogen. Jung warf die beiden Generale raus. Ruwe sprach von einer Intrige und fügte hinzu: "Der tatsächliche Grund liegt darin, daß ich zu unbequem geworden war." Die Disziplinierung der Truppe wirkte. Die Generalität ist ruhig. Schneiderhan hat freie Bahn. Und Jung keine Ahnung.


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