© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/06 03. Februar 2006

Meldungen

Ernst Forsthoff nicht länger europatauglich

BERLIN. Untrennbar mit dem Namen des Staatsrechtlers Ernst Forsthoff (1902-1974) ist der Begriff "Daseinsvorsorge" verbunden. Der Entwicklung dieses 1938 kreierten Konzepts bis hin zu dem im Zeichen von "1968" verfaßten Alterswerk über den "Staat in der Industriegesellschaft" geht Jens Kersten in seinem Berliner Habilitationsvortrag nach (Der Staat, 4/2005). Das für Forsthoff im Mittelpunkt stehende Problem der Stabilität sozialer Ordnungen habe angesichts anhaltender Diskussionen über das Ende des Wohlfahrtsstaates nichts an Aktualität eingebüßt. Doch ersetzt das EU-Vokabular die lange gebräuchliche "Daseinsvorsorge" durch die Wendung "Dienstleistungen im allgemeinen Interesse". Darin komme sprachlich auch die sachliche Distanz zu Forsthoffs einst im Umfeld der "Konservativen Revolution" entworfenen Modell zum Ausdruck. Denn untrennbar sei bei ihm die Versorgung des Individuums an dessen soziale Disziplinierung gebunden. Das zeuge von der "Vernachlässigung des aktiven Bürgers", was Kerstens "liberalem Verfassungsverständnis" widerstrebt. Wer europatauglich an Forsthoff anknüpfen wolle, müsse daher über ihn hinausgehen. Der "aktive Bürger" ist für Kersten also primär, wer "im Wettbewerb der Angebote" für "seine" Daseinsvorsorge selbst verantwortlich ist. Unversehens wurde damit aus dem akademischen Vortrag eine Werbeveranstaltung für Privatversicherer.

 

Die kultursensible Pflege von Migranten

STUTTGART. Zu den Folgekosten ungebremster "Einwanderung" nach Europa zählen nicht allein gewaltsame Eruptionen in französischen oder britischen Vorstädten. Allerdings hätte man in Paris und London wohl gern die multikulturalistischen Sorgen, mit denen sich die Deutschen derzeit abmühen. Hierzulande ist man noch mit den eher "weichen Migrantenthemen" wie den Pflegeproblemen "älterer Migranten" befaßt, wie Zarah Mohammadzdeh vom Bremer Gesundheitsamt zeigt (Gesundheitswesen, 12/2005). Noch betrage der Altenanteil der Ausländer in Bremen 8,5 Prozent, während 28,5 Prozent der deutschen Hansestädter über sechzig Jahre zählen. Mit der zu erwartenden rapiden Steigerung dieser Quote würden sich Versorgungsprobleme spezifischer Art stellen. Gerade im Alter, wenn die soziale Desintegration zunehme, sei eine "Wiederbelebung der Ethnizität" und Orientierung an der Kultur der Herkunftsregion zu registrieren. Folglich gebe es "gesundheitspolitischen Handlungsbedarf", um eine "kultursensible" Altenpflege ohne "Mißverständnisse" bei der Behandlung zu gewährleisten, die besonders kostenintensiv sei.

 

Erste Sätze

Hast Du, mein Freund, jemals die Post, die Eisenbahn, das Dampfboot versäumt?

Rudolf Naujok: Memelländische Dorfchronik, 2. Aufl., Breslau 1938


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