© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/06 27. Januar 2006

Kindliche Idyllen
Man muß die Natur mitgestalten lassen: Ausstellung zur Hundertwasser-Architektur in Frankfurt
Claus-M. Wolfschlag

Hundertwasser ist natürlich ein An-griff gegen die Moderne. Ein bunter Affront wider alles Gradlinige, gegen die industrielle Normierung und die damit einhergehende Abstumpfung des Menschen. Hohn und wüste Tiraden aus der Architektur-Szene waren ihm sicher. Rob Krier gehörte noch zu den freundlichen, als er ihm "Dilettantismus" und "Schrebergarten-Mentalität" andichtete. Doch vielleicht hätte Hundertwasser dies gar nicht als Kritik aufgefaßt. Das Dilettantische war seine Technik, zur Schönheit der Natur zurückzufinden. Krumm und geschwungen, wie der alte Trampelpfad entlang eines Bachlaufs, sollte Architektur aussehen.

Hundertwasser sammelte beispielsweise unterschiedliche alte Bauelemente, Fenster, Türrahmen, Gitter, bastelte diese in einem neuen Gebilde zusammen. Flachdächer wurden begrünt und dem Spiel der Jahreszeiten ausgesetzt. Zerbrochene Keramikplatten und Spiegel dienten als Spuren der Vergänglichkeit, die den Gebäuden wieder erlaubten, was ihnen die Bauhaus-Moderne versagte: zu altern. 1981 meinte er: "Es gibt keinen besseren Lehrmeister als die Natur. Nur die Natur schafft nichtreglementierte Unregelmäßigkeiten (...). Man muß die Natur mitgestalten lassen an der Farbe. Das geht ganz einfach. Eine Wand braucht nur zu verwittern (...). Eine alte Mauer ist schön (...)"

Nun findet eine Ausstellung über Friedensreich Hundertwasser in einem Bau statt, der den Künstler das Grauen gelehrt hätte. Das Deutsche Architektur-Museum in Frankfurt am Main, eine grausam entkernte und mit Oswald M. Ungers beklemmend engen weißen Kuben verschachtelte neoklassizistische Villa, kontrastiert auf ganz seltsame Weise mit den bunten Träumen des Malers aus Wien. "Die Architektur soll den Menschen erheben und nicht gleichschalten und erniedrigen", hatte er 1996 erklärt. Und so würde er heute, wäre er nicht 2000 auf einer Kreuzfahrt bei Neuseeland verstorben, die Ungers-Kuben sicher ungefragt mit mosaikartigen breiten Linien verzieren, dickbäuchige Säulen inbegriffen.

1928 geboren, abgebrochenes Studium, später Professor an der Wiener Kunstakademie, malte er 1953 seine erste Spirale, ein von Gustav Klimt übernommenes Gleichnis des Lebens. Das ihn umgebende Wirrkopf-Image legte sich erst mit der Anerkennung, die Hundertwasser durch seine Neu- und Umbauten erwarb. Diese gebauten Idyllen, Wohnbauten als Ereignis, präsentiert das Architektur-Museum anschaulich in Fotografien und Modellen.

Angefangen mit den berühmten Kunst-Haus Wien (1989-1991) führt der Rundgang zur umgestalteten St. Barbara Kirche in der Steiermark (1987-1988), deren zwölf Tore mit weltreligiösen Symbolen geziert sind, vom Judenstern bis zum hinduistischen Hakenkreuz. Die Kindertagesstätte Frankfurt-Heddernheim (1988-1995) ist ebenso im Modell zu bewundern wie die Waldspirale in Darmstadt (1998-2000) und der sensibel umgebaute Umweltbahnhof Uelzen (1999-2000).

"Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch", bekannte Hundertwasser 1958. Die wieder vergöttlichte Natur, das kleine Paradies, das er den Menschen zurückgeben wollte, kann eindrucksvoll in Frankfurt/Main bewundert werden. 

Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Februar im Deutschen Architekturmuseum, Schaumainkai 43, Frankfurt am Main, täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr, zu sehen. Der Katalog kostet 23 Euro.

Foto: Hundertwasser-Haus in Essen


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