© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/06 27. Januar 2006

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Solidarität
Karl Heinzen

Lediglich 23 Prozent der Deutschen sind, so eine Umfrage des Forsa-Instituts, der Auffassung, daß der Iran gegebenenfalls auch mit militärischen Mitteln zur Einstellung seines Atomprogramms gebracht werden sollte. 72 Prozent der Befragten hingegen können sich mit dieser Option nicht so recht anfreunden. Dieses drastische Meinungsbild signalisiert, daß die Bundesrepublik auch mehr als 15 Jahre nach der Wiedervereinigung noch sehr weit von davon entfernt ist, ein normaler Staat zu sein. Der Kosovo-Krieg, der von der rot-grünen Koalition im Überschwang der frisch erworbenen Regierungsverantwortung 1999 ausgefochten wurde, ohne nach einer völkerrechtliche Grundlage zu verlangen, hat sich als ein Strohfeuer erwiesen, das rasch wieder erloschen ist. Gerade einmal vier Jahre später traute sich Kanzler Schröder schon nicht mehr zu, sein Talent dafür einzusetzen, die Bürger für eine Beteiligung der Bundesrepublik am Waffengang gegen den Irak zu begeistern. Er baute statt dessen mit Erfolg auf das Phlegma der Deutschen, die auch sechs Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch nicht des Friedens überdrüssig sind.

Wird Angela Merkel an diese opportunistische Politik ihres Vorgängers anknüpfen können? Wohl kaum. Der Irak Saddam Husseins war nach der Operation Desert Storm des Jahres 1991 ein Land, von dem keine Bedrohung mehr ausging. Man hätte mit dem Dritten Golfkrieg daher gut und gerne noch etwas warten können. Der Iran jedoch stellt ein unaufschiebbares Problem dar. Er ist zwar eingekreist und diplomatisch in die Enge getrieben, aber im Prinzip souverän und handlungsfähig. Sein Gewicht gilt als groß genug, um die USA zu beunruhigen. Wie sollen sie zum Beispiel dereinst ihr Engagement im Irak zurückfahren, wenn sie befürchten müssen, daß Teheran in das dadurch entstehende Machtvakuum hineinstößt?

Es ist also nicht damit getan, daß der Iran einlenkt und seine sich sowieso im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages bewegenden nuklearen Projekte einstellt. Nur ein Regimewechsel kann ihn zu einem verläßlichen Partner der Staatengemeinschaft für eine Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens machen. Auf dem beschwerlichen Weg dorthin ist deutsche Hilfe tatsächlich unabdingbar. Angela Merkel wird ihre Solidarität daher nicht verweigern können. Sollte sie hier versagen, wären nämlich ernste Bedenken in Washington unausweichlich: Auf wen in Deutschland könnten sich die USA dann eigentlich noch verlassen?


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