© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/06 20. Januar 2006

Vater, Mutter, Kind
Familienpolitik: Abschied vom weltanschaulichen Gegeneinander / SPD stellt Kompromiß von Genshagen in Frage / Kritik aus den eigenen Reihen
Ellen Kositza

Das Thema Kinder und Familie hat Konjunktur. Erst einigten sich Union und SPD in Genshagen auf einen Kompromiß in der Familienpolitik, dann nutzten die Soziademokraten am Wochenende ihre Vorstandsklausur in Mainz, um noch einmal nachzulegen.

Das Ringen in Genshagen um einen Kompromiß bei der familienpolitischen Neustrukturierung hatte nichts mit einem weltanschaulichen Gegeneinander zu tun. So hätte es sich noch vor Jahren gehört - traditionelles Familienmodell der C-Parteien versus emanzipatorische Offenheit auf der anderen Seite. Längst sind sowohl die Ökonomisierung des Frauenlebens als auch der Wunsch nach dem Mann am Wickeltisch beinahe Konsens, und so stellte sich der Kampf um Zahlen, Zeiten und Modelle vor allem als Finanzpoker zwischen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) dar.

Festgelegt wurde zunächst die Einführung eines einjährigen Elterngeldes ab 2007. Statt der bisherigen 300 Euro monatlich für die Zeit von zwei Jahren soll sich die künftige Zahlung an dem vorigen Einkommen der Eltern orientieren und 65 Prozent jener Summe, mindestens 170 Euro (für Nichtverdiener), maximal aber 1.800 Euro im Monat betragen. Falls nicht sowohl Vater als auch Mutter mindestens zwei Monate beruflich zugunsten der Säuglingspflege pausieren, reduziert sich die Bezugsdauer auf zehn Monate. Betreuungskosten, bislang ab der Höhe von 1.580 Euro steuerlich veranlagbar, sollen nun bei Kindern bis zum Alter von sechs Jahren ab einer Aufwendung von 1.000 Euro abgesetzt werden können. Daß die durchschnittlichen Kosten eines Halbtagsplatzes im Kindergarten davon nicht betroffen sind, weiß Frau von der Leyen - jenen Eigenanteil aufzubringen sei "zumutbar."

Ganztägige Fremdbetreuung zahlt sich aus

Eine ganztägige Fremdbetreuung des Klein- und Vorschulkindes dagegen zahlt sich aus. Für Schulkinder bis zum Alter von 14 Jahren sind Betreuungskosten ab dem ersten Euro und bis zu einer Höhe von 4.000 Euro von der Steuer abzusetzen, eine Regelung, welche die in Mitteldeutschland gängige und bewährte Hortunterbringung jedoch ausnehmen soll. Durch diese steuerlichen Erleichterungen spare eine Familie mit Jahreseinkommen von 60.000 rund 1.230 Euro, bei einem Einkommen von 30.000 Euro 516 Euro, rechnet der Bund der Steuerzahler vor.

Mehr auf Kritik denn auf Zustimmung stießen die Vereinbarungen allenthalben. So hielt der familienpolitische Sprecher der Union, Johannes Singhammer, dem Kompromiß zwar eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zugute, vermißte aber "die Symmetrie für Frauen und Mütter, die nicht erwerbstätig sind." Auch der Familienbund der Katholiken bemängelte von der Leyens Pläne, die "vor allem auf Kosten der sozial schwachen Familien, Alleinerziehenden und von Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen" gingen. Harsche Kritik äußerten die Oppositionsparteien. Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ina Lenke, sagte, eine solche "bürokratische Regelung dient vielleicht dem Koalitionsfrieden und den Steuerberatern, aber sicher nicht den Kindern und ihren Eltern. Für verfassungsrechtlich angreifbar hält Lenke das Ansinnen , die Absetzbarkeit der Betreuungskosten an eine Erwerbsarbeit beider Eltern zu knüpfen. Grünen-Chefin Claudia Roth sieht in den neuen Bestimmungen eine Verschärfung der sozialen Schieflage: Es werde "denen gegeben, die schon haben." Dennoch für eine "intelligente Lösung" hält Frau von der Leyen die deutliche Bevorzugung von Doppelverdienerehen - geht es ihr doch ausdrücklich darum, möglichst viele Mütter möglichst früh an außerhäuslichen Wirkungsstätten zu sehen.

Ob der in Genshagen ausgehandelte Kompromiß Bestand haben wird, ist nach der SPD-Klausur fraglich. Entgegen der Vereinbarung, daß Betreuungskosten ab 1.000 Euro angerechnet werden können, sollen diese nach den Vorstellungen der SPD nun bereits ab dem ersten Euro absetzbar sein - Koalitionsstreit nicht ausgeschlossen.


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