© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/06 13. Januar 2006

Teurer Mitnahmeeffekt
Privater Arbeitsanreiz statt staatlich subventionierter Kombilohn
Bernd-Thomas Ramb

Auf der Suche nach höheren Beschäftigungszahlen diskutiert die schwarz-rote Bundesregierung die Einführung des Kombilohns. Die Meinungen gehen dabei auseinander. Während die CSU in Wildbad Kreuth vor weiteren finanziellen Abenteuern warnte, ist die CDU mehrheitlich im Prinzip dafür, die SPD neigt zumindest zu einer längeren Diskussion der Vor- und Nachteile. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will ein eigenes Kombilohn-Modell wagen.

Der Leiter der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, unterstützt verständlicherweise jedes Kombilohn-Modell und warnt gleichzeitig und ebenso verständlich vor übertriebenen Erfolgserwartungen. Er möchte natürlich einerseits die Zahl der Arbeitslosen gesenkt, andererseits aber nicht die Existenzberechtigung der BA gefährdet sehen. Im Lager der Wirtschaftswissenschaftler überwiegen hingegen die ablehnenden Kommentare.

Unter Kombilohn wird eine Vielzahl von Lohnregelungen verstanden, eine einheitliche Definition besteht nicht. Jedes Kombilohn-Modell beinhaltet aber im Kern einen staatlichen Zuschuß zum Arbeitslohn. Genau genommen bestehen daher bereits zahlreiche Kombilohn-Regelungen. So bekamen im letzten Jahr 650.000 Haushalte "aufstockendes Arbeitslosengeld II", weil das Erwerbseinkommen nicht zum Lebensunterhalt ausreichte. Umgekehrt können Arbeitslosengeldempfänger einen Freibetrag für zusätzliches Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis nutzen. Eine Kombilohn-Variante bildet auch die Entgeltsicherungsregelung für ältere Arbeitslose ab 50 Jahren oder die Bezuschussung von Lohnzahlungen für erwerbsfähige Hilfsbedürftige.

Das Hauptargument für die Einführung jedes Kombilohns ist stets das gleiche. Staatliche Gelder sollen nicht für Untätigkeit, sondern für Arbeitsleistung fließen. Genau besehen bedeuten die staatlichen Zuzahlungen jedoch eine zusätzliche Staatsausgabe auf dem Arbeitsmarkt. Vielfach erscheinen sie notwendig, um die Arbeitsaufnahme für Arbeitslose überhaupt erst attraktiv zu machen.

Der Nettolohn von Geringverdienern übersteigt häufig das Arbeitslosengeld kaum oder gar nicht. Auf der Seite der Arbeitgeber besteht dagegen kein ökonomischer Anreiz, den betroffenen Arbeitssuchenden einen deutlich höheren Lohn als das staatliche Arbeitslosengeld zu zahlen. Ohne staatliche Zuzahlung ergibt sich somit eine Lücke zwischen dem Arbeitsangebot der Arbeitslosen und der Arbeitsnachfrage der Unternehmen.

Der einzige Gewinner bei der staatlichen Lohnsubventionierung ist zunächst der Arbeitslose, dessen Arbeitsleistung vom Unternehmen geringer eingeschätzt wird als die Lohnleistung. Der Unternehmer macht dabei zwar keinen Verlust, weil die Differenz vom Staat bezahlt wird, erweckt wird jedoch die Begierde auf den staatlichen Subventionskuchen. Die Verführung steigt, vorhandene Arbeitskräfte freizusetzen und mit staatlicher Lohnsubvention wieder einzustellen.

So kann das Unternehmen einen Teil der Gewinnmöglichkeiten "mitnehmen". Der Mitnahmeeffekt beruht also auf der formell geringeren Einschätzung der Arbeitskraft der Beschäftigten zum Vorteil des Unternehmers. Früher wurde so etwas "Ausbeutung" genannt. Da der Arbeitnehmer aber nicht geschädigt wird, führt dieses System letztlich zur Ausbeutung des Steuerzahlers.

Der Kombilohn führt dabei zur gleichen Schraube wie die direkte Sozialhilfe. Die Anforderungen staatlicher Zuschüsse werden wegen der permanenten Erhöhung der "Armutsgrenze" ständig weiter steigen. Darüber hinaus bewirkt die staatlich organisierte Zementierung eines unausgeglichenen Arbeitsmarktes jedoch weitere negative Entwicklungen.

Neben dem bereits erwähnten Mitnahmeeffekt werden die Unternehmen weniger Anreize verspüren, die Qualifikation ihrer Mitarbeiter zu fördern. Mangelnde Produktivität wird ja durch Staatszuschüsse ausgeglichen. Umgekehrt besteht bei den Arbeitssuchenden eine geringere Einsicht in die Notwendigkeit, die eigene Arbeitsleistungsfähigkeit zu verbessern. Die Investitionen in Humankapital werden - nachdem schon dieser Begriff diskreditiert wurde - durch staatliche Intervention noch mehr verhindert.

Der Kombilohn stellt somit eine höchst ineffiziente Variante staatlicher Arbeitsmarktpolitik dar. Geht es um die bloße Sicherung der Grundeinkommen, funktioniert die Sozialhilfe prinzipiell besser. Nur ist diese angesichts der bestehenden Finanzkraft in Deutschland schlicht zu hoch. Der Kombilohn erhöht weder die Finanzkraft des Staates, noch senkt er die effektiven Zahlungen zur Einkommensunterstützung. Helfen kann nur die Stärkung der privaten Anreize und Möglichkeiten zur Arbeitseinkommenserzielung.

Dazu zählt zwangsläufig eine Reduktion des Arbeitslosengeldes. Der deutsche Arbeitsmarkt benötigt generell nicht mehr, sondern weniger staatliche Eingriffe. Das gilt auch für die persönliche Weiterentwicklung der Qualität des eigenen Arbeitsangebots. Die Zahl der Schulabgänger ohne oder mit schlechtem Abschluß läßt sich nicht mit Kombilöhnen reduzieren, sondern nur mit der finanziell schmerzhaften Lehre, daß sich das - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht lohnt.


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