© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/06 06. Januar 2006

Kopfüber: Nicht zur politischen Nachahmung empfohlen
Der Kleiber -Vogel 2006
Christoph Martinkat

Wissen Sie noch, wer Vogel des Jahres 2005 war? Nein? Es war der Uhu. Daß dieses sagenumwobene Eulentier im Bewußtsein der Öffentlichkeit so gar keine Rolle spielte, lag offenbar an den medialen Dauerbrennern Kanzlerkandidatur, Bundestagswahl und Koalitionsverhandlungen. Gegen das rege Pöstchengerangel der Staatsoberen geriet der scheue Vogel der Weisheit ganz und gar aus dem Blickfeld. Da darf man jetzt schon gespannt sein, wie es dem Vogel des Jahres 2006 ergeht. Der heißt Kleiber, zählt zu den Sperlingsvögeln und kann es in punkto Prägnanz, Symbolkraft und Sinnesschärfe keinesfalls mit seinem gewichtigen Vorgänger aufnehmen. Der kleine vitalistische Wonneproppen, dessen gefiedertes Markenzeichen eine schwarze Augenbinde ist, gilt als Springinsfeld, als Akrobat, als Kopfüber. Schließlich ist er als einziger Vogel Europas fähig, mit dem Kopf voran einen Baumstamm herunterzuklettern. Er fordert die Schwerkraft heraus, ohne zu stürzen. Bleibt fast zu wünschen, daß er in der Öffentlichkeit genauso ignoriert wird wie der Uhu. Denn eines sind seine waghalsigen Manöver auf keinen Fall: zur politischen Nachahmung empfohlen.


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