© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/06 06. Januar 2006

Frisch gepresst

Afghanistanmission. Überschattet von der Regierungsbildung wurde am 28. September 2005 die Verlängerung des größten Auslandseinsatzes der Bundeswehr im Bundestag eher unbeachtet mit nur 14 gegen 535 Stimmen praktisch durchgewinkt. Dabei stellt die nun annähernd 3.000 Soldaten starke Mission eine exorbitante Beanspruchung für die seit der Wende laufend unter Reformen und Umstrukturierungen leidende Truppe dar. Und selbst die 18 Todesopfer unter den Soldaten in der afghanischen Mission brachten den Pressewald bisher nicht ins Rauschen. Die Journalistin Britta Petersen hat die Soldaten in Afghanistan besucht und schildert den "Ernstfall", ohne ins Reißerische mancher Stern-Reportage zu verfallen. Neben der Monotonie des Lagerlebens und dem Frust desillusionierter Soldaten berichtet sie auch über einen "Aufklärer", der bereits mit seinem "Dingo" die Explosion einer Mine überlebte, gut besuchte Gottesdienste oder das Peter-Maffay-Konzert im "Camp Warehouse" in Kabul im letzten Sommer. Trotz der transparent scheinenden Fassade gibt Petersen gleich im Vorwort zu bedenken, daß auch sie nicht mehr als eine "eingebettete Journalistin" war, deren Interviewpartner von der Bundeswehr bestimmt wurden (Einsatz am Hindukusch. Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan. Herder Verlag, Freiburg 2005, 160 Seiten, broschiert, 9,90 Euro).

Ostpreußen. In aufwendiger Gestaltung hat der auf Direktvertrieb setzende Archiv Verlag einen "Beitrag zur Bewahrung des kulturellen Erbes der Heimat Ostpreußen" abgeliefert, wie der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm von Gottberg, im Vorwort des Handatlasses bescheinigt. In der Tat führen die vielen Landkarten von der Frühen Neuzeit bis in die dreißiger Jahre, die Städtewappen und visuellen Eindrücke im Bildteil die achthundertjährige Geschichte von Deutschlands östlichster Provinz eindruckvoll vor Augen. Dieses Lob muß allerdings vor dem historischen Teil haltmachen, der arg holzschnittartig allenfalls eine grobe Übersicht liefern kann. Ein fundierterer Beitrag eines versierten Historikers hätte dem Anspruch des nicht ganz billigen Bandes eher Genüge getan. Ebenso findet das von Gottberg gerühmte "kulturelle Erbe" - sei es Kant und Herder oder Miegel und Lenz - im Werk nur allzu marginal Berücksichtigung (Historischer Handatlas für Ostpreußen. Braunschweig 2005, 79 Seiten, Karten, Abbildungen, Ledereinband, 99,80 Euro).

Fischerei. Peter Harry Carstensen, der langjährige politische Lobbyist der schleswig-holsteinischen Fischer und derzeitige Ministerpräsident des Landes, hat seinen Referenten beauftragt, ein schönes Grußwort zu schreiben. Es ziert jetzt mit dem Konterfei des zwischen den Meeren als "Grinsekatze" (Lewis Carroll) belächelten Kieler Regierungschefs eine opulent ausgestattete Zeitreise von Horst Schübeler zurück in die "Fischerei in Schleswig-Holstein" (Bilddokumente zur Geschichte der Fischerei. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 2005, 432 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro). Während Carstensen noch ermuntert, der Leser möge die Bildchronik der nordelbischen Fischerei betrachten, um ein "selbstbewußtes Heimatgefühl" zu entwickeln, illustriert Schübeler eher, wie mit dem ökonomischen Niedergang dieses traditionellen Wirtschaftszweigs ein Stück regionaler Identität verlorengegangen ist. Wer das von Schübeler mit vielen Schwarzweiß-Aufnahmen gut dokumentierte, noch bis vor einem Vierteljahrhundert pulsierende Leben in den Hafenstädten an der Ost- und Nordsee mit der Tristesse der Gegenwart vergleicht, muß schon über Carstensens penetranten Daueroptimismus verfügen, um in der Fischerei einen "Wirtschaftsfaktor" zu sehen, der "heute noch für unsere regionale Lebensweise und Kultur herausragend ist". Insoweit ist also Schübelers Werk eher ein Leckerbissen für Nostalgiker.


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