© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/06 06. Januar 2006

Weiter Streit um Kritik am Islam
Dänemark: Schriftsteller und Pastoren sehen Parallelen zur Judenverfolgung / Debatte um Meinungsfreiheit
Claudia Hansen

Darf man Mohammed zeichnen? Sogar mit einem bauschigen Turban, in dem versteckt eine Bombe tickt? Oder mit einem Krummsäbel zwischen den Zähnen, die Arme brutal um zwei verschleierte Frauen geschlungen? Vielen mag dies als geschmacklose Beleidigung einer Weltreligion erscheinen; andere werden den satirischen Andeutungen der aggressiven Tendenzen im Islam zustimmen oder sie zumindest als von der Meinungsfreiheit gedeckte Kritik ansehen.

Der Streit in Dänemark, wieviel Kritik am Islam noch zulässig ist, hat zur Jahreswende an Schärfe zugenommen. Islamische Staaten und Organisationen erhöhten den Druck auf die rechtsliberal-konservative Minderheitsregierung in Kopenhagen, sich von den islamkritischen Karikaturen in der Zeitung Jyllands-Posten zu distanzieren (JF 46/05). Nach muslimischem Verständnis ist jegliche bildliche Darstellung Mohammeds ein Frevel. Doch Premier Anders Fogh Rasmussen sprach von einer "notwendigen Provokation zur Verteidigung der Meinungsfreiheit".

Den linksliberalen Intellektuellen hat es angesichts dieses Klimawandels zeitweilig die Sprache verschlagen. Kurz vor Weihnachten veröffentlichte die Zeitung Politiken dann eine Erklärung von zwölf Schriftstellern, die sich über islamophobe und einwanderungskritische Tendenzen beklagten. Ihnen folgten zweihundert Pastoren, die in einer dramatischen Weihnachtsansprache Parallelen zur NS- Judenverfolgung behaupteten. Von der Kanzel herab verlasen die Geistlichen eine Ansprache, die sie als Fortsetzung eines Hirtenbriefs von 1943 bezeichneten. Eine Pastorin warnte mit Blick auf die zunehmend islamkritische Äußerungen vor einem "legalisierten Recht auf Haß gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen".

Die zwölf Ende September in Jyllands-Posten veröffentlichte Zeichnungen Mohammeds haben weltweit für Aufregung gesorgt. Nach eigener Aussage wollte die in Århus verlegte auflagenstärkste Zeitung des Landes testen, ob Dänemark noch ein Land sei, in dem Meinungsfreiheit herrsche und auch Kritik am Islam geäußert werden könne. Einen so massiven Sturm der Entrüstung hatte die Redaktion nicht erwartet. Erst gab es eine Großdemonstration mehrerer tausend aufgebrachter Muslime, dann folgten Morddrohungen.

Mitte November kam eine offizielle scharfe Protestnote der Botschafter von elf islamischen Ländern, angeführt von Ägypten und der Türkei. Sie forderten die dänische Regierung auf, künftig islamkritische Äußerungen der Medien zu unterdrücken. Die Affäre zog immer weitere Kreise. Ägyptens Außenminister Abul Gheit sprach von einer beginnenden "weltumspannenden Kampagne" seiner Regierung. Kurz vor dem Jahreswechsel eskalierte der Konflikt weiter, als eine Unterabteilung der Organisation der Islamischen Konferenz mit einem Boykottaufruf drohte.

Aber Rasmussen blieb hart und verteidigt weiterhin die Pressefreiheit als ein Gut, das nicht zur Disposition stehe. Auch Ermahnungen von 22 dänischen Ex-Botschaftern, dem früheren Außenminister Uffe Ellemann Jensen (einst Chef von Rasmussens rechtsliberaler Venstre) oder dem EU-Kommissar Franco Frattini zeigte er die kalte Schulter. Erst bei seiner Neujahrsansprache schlug Rasmussen einen versöhnlicheren Ton an, der die Wogen der Empörung ein wenig glättete. Er verurteilte Äußerungen, die andere Gruppen respektlos herabwürdigten, von denen es in letzter Zeit "auf mehreren Seiten einzelne Beispiele" gegeben habe. Eine Reihe von dänischen Imamen lobte diese Worte des Regierungschefs.

Insgesamt ist jedoch immer deutlicher zu beobachten, wie in der dänischen Öffentlichkeit die Gebote der politischen Korrektheit offen mißachtet werden. Insbesondere die Auseinandersetzung um den Islam war hier ein Katalysator. Vor einigen Wochen rief Kulturminister Brian Mikkelsen zum Kampf gegen die "mittelalterliche islamische Kultur" unter Zuwanderern auf. Eine "kulturelle Aufrüstung" forderte der 39jährige Politiker der Konservativen Volkspartei, um Parallelgesellschaften auszutrocknen, muslimischen Migranten demokratische Werte zu vermitteln und "die gemeinsamen Grundlagen der dänischen Kultur zu erhalten". Politiker der linken Opposition reagierten pikiert, daß Mikkelsen die Auseinandersetzung mit dem Islam als "Kulturkampf" bezeichnete.

Auch die Einwanderungsdebatte wird offen und ohne Tabus geführt - sehr zum Verdruß vieler linksliberaler Kommentatoren. Rasmussens Regierung hat die bis vor einigen Jahren sehr einwanderungsfreundliche Gesetzgebung verschärft. Die Zahl der genehmigten Asylanträge ist in nur drei Jahren um fast drei Viertel zurückgegangen, die Möglichkeiten zur Familienzusammenführung wurden erheblich eingeschränkt. Vor Einbürgerungen müssen Ausländer künftig ein Examen zu Fragen der dänischen Kultur, Geschichte und Rechtsordnung bestehen und einen "Kontrakt" unterzeichnen.

Getrieben wird Rasmussen bei dieser Politik von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF) von Pia Kjærsgaard, die erfolgreich die Sorge vor einer drohenden islamischen Überfremdung artikuliert. Etwa 200.000 Muslime, meist aus der Türkei, Pakistan und dem Irak, leben bislang unter den 5,4 Millionen Einwohnern Dänemarks. Die Geburtenrate der Muslime ist jedoch deutlich höher als die der autochthonen Dänen, so daß sie laut demographischen Projektionen in etwa vier Jahrzehnten schon jeden dritten Einwohner stellen könnten. Verschiedene Kommentatoren rechnen damit, daß die jüngsten Turbulenzen um die Mohammed-Karikaturen zu einer Verhärtung der islamkritischen Haltung der Dänen führen werden.

Foto: Protest gegen "Jyllands-Posten" in Kopenhagen: Kampf gegen die "mittelalterliche islamische Kultur"


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