© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/05 01/06 23./30. Dezember 2005

Frisch gepresst

Kulturpolitik. Eckard Michels wurde 1993 mit einer Studie über das Deutsche Institut in Paris (1940-1944) promoviert, einen starken Stützpfeiler auswärtiger Kulturpolitik des Dritten Reiches. Als Lecturer an der Londoner Universität hat Michels nun Zeit gefunden, sein Themenfeld sytemübergreifend auf die "Sprach- und auswärtige Kulturpolitik 1923-1960" (Von der Deutschen Akademie zum Goethe-Institut, R. Oldenbourg Verlag, München 2005, 266 Seiten, gebunden, 39,80 Euro) auszuweiten. Michels zeichnet die Institutsgeschichte der 1925 in München gegründeten Deutschen Akademie (DA) nach, die sich zunächst stark um die kulturelle Betreuung der deutschen Minderheiten außerhalb der Reichsgrenzen bemühte und die dann zur Sprachvermittlung für Nicht-Deutsche in ganz Europa überging. Hier liegen auch die Ursprünge des 1932 gegründeten Goethe-Instituts zur Fortbildung ausländischer Deutschlehrer. Der Geopolitiker Karl Haushofer hat nach 1933 mit Rückendeckung des "Führer-Stellvertreters" Rudolf Heß einen Prozeß eingeleitet, der 1942 endete, als die DA wie andere Weimarer Gründungen ganz auf NS-Kurs lag. Erst in der Bundesrepublik, wie Michels minutiös ausführt, seien die Grundsätze der Gegenseitigkeit und des geistig-kulturellen Austausches wieder an die Stelle propagandistischer Vereinnahmung durch eine hegemoniale Kulturideologie getreten.

Schloßdebatte. In Berlin formieren sich derzeit ehemalige Genossen zum letzten Gefecht gegen den Abriß des "Palastes der Republik". Auf dem Platz, den die braune Architektursünde nach der Schlei-fung des Berliner Schlosses einnahm, soll einst ein in Ausmaßen und Fassade an das ursprüngliche Hohenzollerndomizil erinnerndes "Humboldt-Forum" entstehen. Viel radikaler mutet da schon das in den achtziger Jahren in einem nationalen Kraftakt wiederaufgebaute Königsschloß in Warschau an, das praktisch alle Spuren seiner vollkommenen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg vergessen läßt. Andere Beispiele wie das im Aufbau befindliche Braunschweiger Schloß oder die Danziger Altstadt bereicherten thematisch einen "Workshop" des Deutschen Historischen Museums, in dem 14 Kunsthistoriker, Architekten und Städteplaner sich der "Dekon-struktion" und des Wiederaufbaus historischer Bauten in Deutschland und Polen widmen. Die nun von Dieter Bingen, Direktor des Deutschen Polen-Institutes, und Hans-Martin Hinz herausgegebene Sammlung dieser Vorträge bietet einen hervorragenden Überblick über den aktuellen Stand der Debatten (Die Schleifung. Zerstörung und Wiederaufbau historischer Bauten in Deutschland und Polen. Harras-sowitz Verlag, Wiesbaden 2005, 226 Seiten, broschiert, 19,80 Euro).

Städte und Modernismus. Die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs gab vielen europäischen Städten ein anderes Gesicht. Doch ähnlich, wie man in Hannover zumindest städteplanerisch klammheimliche Freude empfand, endlich die Konzeption einer "autogerechten Stadt" zu verwirklichen, gab es auch anderenorts schon frühere Pläne, "das Morsche" der Vergangenheit zu überwinden. Nicht nur bei den Berliner Germania-Träumen Albert Speers, sondern auch in den autoritären baltischen Staaten plante man eine "moderne Umgestaltung", wie der Kieler Historiker Andreas Fülberth belegt. So wollte man - unterstützt durch die Regime von Päts (Estland) und Ulmanis (Lettland) - mit "Repräsentativachsen" die mittelalterliche Struktur Revals und Rigas sprengen. In Litauen und seiner "provisorischen" Hauptstadt Kaunas waren die Konzepte moderater. Relikte der Rigaer Konzeption wie die Polytechnische Hochschule von 1950 werden übrigens dieser Tage am Rathausplatz gerade wieder beseitigt (Tallinn - Riga - Kaunas. Ihr Ausbau zu modernen Hauptstädten 1920-1940. Böhlau Verlag, Köln 2005, 395 Seiten, broschiert, 39,90 Euro).


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen